Wortmissbrauch im Corona-Trubel?

Schuld haben oder schuld sein (Foto: (c) Rationale Armeefraktion)

Es ist offensichtlich sogar für gestandene Journalisten schwer, in der zur Zeit täglich anfallenden Flut vermeintlich oder wirklich wichtiger Nachrichten einen klaren Kopf zu behalten. Jedenfalls bringt heute am 14.04.2020 das Nachrichtenportal von t-online unter der Überschrift „Die Reaktion der Deutschen war ein Desaster sondergleichen“ ein Interview mit einem Experten, das folgendermaßen eingeleitet wird:
„Das Coronavirus erschüttert die Wirtschaft. Nie zuvor in der Geschichte gab es eine vergleichbar schwere Krise. … Das hat es nie zuvor gegeben, große Teile der Weltwirtschaft stehen still. Schuld ist das Coronavirus, zu dessen Bekämpfung die Menschen Abstand zueinander halten müssen. …“
Kaum merklich wird hier eine Falschmeldung, auf Neudeutsch Fake News verbreitet. Denn der Hauptsatz vor dem Nebensatz im letzten der drei zitierten Satzgebilde müsste lauten: „Das Coronavirus ist schuld“. Denn nicht „die Schuld“ ist gemeint, sondern das Prädikat im Sinne von „schuld sein“. Das ist eine für Menschen gedachte moralische und/oder strafrechtliche Eigenschaft.
Wer allerdings schuld ist, muss sich auch verantworten können. Das dürfte bei dem Virus schwierig werden. Also – könnte man fragen – haben wir es hier mit einer psychologischen Fehlleistung zu tun? Oder steckt dahinter ein absichtlicher Trick, mit dem vorhandene – menschliche – Schuld auf ein Naturereignis abgewälzt wird und infrage kommende Menschen können sich somit ihre Hände in Unschuld waschen?
Merke: Je nach Wortwahl entstehen Wertungen und Gedanken und Gefühle werden in bestimmte Richtungen gelenkt. Also bleiben wir aufmerksam!

Zum Selberlesen:

https://www.t-online.de/nachrichten/wissen/geschichte/id_87668776/experte-zu-corona-reaktion-der-deutschen-war-ein-desaster-sondergleichen-.html

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1 Kommentar

  1. Wer hat sich hier versündigt, wer trägt die Schuld für die aufkommende Angst?

    Welche Ereignisse müssen sich zutragen damit die führenden Industrieländer die Einsicht erlangen: Ein „Weiterso“ kann (auf lange Sicht gesehen) keine Option mehr für die Zukunft sein.

    Muss das „große Desaster“ denn erst vor der Tür stehen, bevor man sich die Frage stellt: Welches System und Technologie kann die anstehenden Probleme und zukünftigen Aufgaben (wirklich) bewältigen – Wohlstand und Lebensqualität erhalten und vermehren.

    Das herauszufinden, das kann doch alles erstmal theoretisch ablaufen.

    Steht die „Große Katastrophe“ erst einmal vor der Tür, wird die Ratlosigkeit und Hektik in der Politik, in der Wirtschaft und auch in der Wissenschaft (unvermeidlich) Fahrt aufnehmen.

    Umsichtig und verantwortungsbewusst, weit vorausschauend (somit agieren), wäre hier angesagt. Befindet man sich erst einmal in einer (wirklich) prekären Notlage, bleibt nur noch das Reagieren – das Dagegenhalten.

    Warum lernen wir, insbesondere die Akteure in der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, nichts aus den Ereignissen in der Vergangenheit?

    Warum werden immer und immer wieder die gleichen Fehler gemacht – wer ist hier tatsächlich der Sünder, wer trägt hier die Schuld für die aufziehende Angst in den Gesellschaften?

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