Manfred Hülsebruch – Katalog der Pergamentfragmente der 36-zeiligen Bibel aus Wildunger Provenienz Rechtzeitig zum Gedenken an den 550. Todestag von Johannes Gutenberg ist ein vom ehemaligen Stadtarchivar Manfred Hülsebruch verfasster Forschungsbericht über „Die Wildunger Pergamentfragmente der 36-zeiligen Bibel:
Bestand, Verwendung, Wiederauffinden und Verwahrung. Wurden sie aus Fritzlar geliefert?“ gemeinsam mit dem vom Curator of Rare Books der Princeton University Library, Dr. Eric Marshall White, verfassten Beitrag „The Bad Wildungen Fragments of the 46-Line Bible in Context“ in das als Festschrift zum Gutenbergjahr deklarierte
Jahrbuch 2018 der Gutenberg-Gesellschaft in Mainz aufgenommen worden.
Zusätzlich zu dieser Publikation nahm Manfred Hülsebruch den Bericht über Verlauf und Ergebnis seiner Forschung in einen zeitgleich von ihm bearbeiteten und herausgegebenen Katalog der Pergamentfragmente der 36-zeiligen Bibel aus Wildunger Provenienz auf, über den er nach damaligem Erkenntnistand einen Vortrag in der Monatsversammlung der Bezirksgruppe Bad Wildungen des Waldeckischen Geschichtsvereins im November 2017 hielt.
Hülsebruch beschreibt darin seine erste Begegnung mit von Rechnungsregistern abgelösten Fragmenten während seiner Lehrzeit in der Bad Wildunger Stadtkasse zu Beginn der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Der damalige Rentmeister Rudolf Morlang konnte sich das Fehlen einiger Fragmente, die dreißig Jahre zuvor noch im
Bestand waren, nicht erklären und auch Dr. Hettlage, der die Fragmente in Bad Wildungen 1917 verzeichnet hatte, war ihm unbekannt. Mit dem Umbau des Bad Wildunger Rathauses waren die Fragmente dem Stadtarchiv überantwortet worden. Ein Exemplar verblieb als Ausstellungsstück im Heimatmuseum. Die Gedanken an das Schicksal der fehlenden Stücke blieben präsent. Zur Sicherung und Dokumentation des Bestandes digitalisierte Hülsebruch die Fragmente 2014. Dabei stieß er auf eine Spur, die ausschlaggebend für den Fortgang der Forschung war.
Sie erreichte ab Juni 2016 mit einer Anfrage von Eric White nach dem Verbleib eines Fragmentes aus dem Buch Numeri, das einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1902 zufolge Eigentum der Stadt Nieder-Wildungen sein sollte, eine unerwartete Dimension. Denn nicht nur die bekannten abgelösten Fragmente, sondern eine unerwartet große Anzahl vollständiger und bruchstückhafter Fragmente, abgelöst oder noch mit einem Register verbunden, ihre derzeitige Verwahrung in Archiven und Bibliotheken in Deutschland und den USA, gaben den Stoff für den mit Spannung und Hingabe geschriebenen und auch für Nichtfachleute informativen Forschungsbericht.
Er führt in lokale Ereignisse der Zeit zwischen 1616 und 1975, von denen Heimatforscher, wenn überhaupt, nur beiläufig berichteten, wann und von wem eine auf Pergament gedruckte Bibel getrennt und als Rohstoff zu Einbänden für Rechnungsregister der Stadt Nieder-Wildungen, des Kirchenkastens, gräflich wildungischer Amtsrechnungen und anderen verwendet wurde. Diese Umstände lassen ahnen, welchen bislang unbezifferten Reichtum des Land Preußen und in dessen Folge das Land Hessen mit der Übernahme des vormaligen Waldeckischen Fürstlichen Archivs Arolsen durch das frühere Königliche Preußische Staatsarchiv Marburg im Jahr 1897 nach heutigen Wertvorstellungen gewann. Hülsebruch fand die im Jahr 1940 in der Wissenschaft als vermisst beschriebenen Fragmente allesamt wieder und dazu noch eine größere Anzahl bislang unbekannter Exemplare.
Alle aufgefundenen und bekannten Fragmente wurden den Blattseiten der 36-zeiligen Bibel entsprechend in sechs Verzeichnissen eingestellt:
I. Verzeichnis der im Besitz der Stadt Bad Wildungen – Stadtarchiv – befindlichen abgelösten Pergamentfragmente,
II. Verzeichnis der als Einband verwendeten und dort noch befindlichen Pergamentfragmente im Stadtarchiv Bad Wildungen,
III. Verzeichnis der als Streifen oder Rücken eines Einbandes verwendeten Pergamentfragmente im Stadtarchiv Bad Wildungen,
IV. Verzeichnis zum Bestand 147 des Hessischen Staatsarchivs Marburg – vormals Bestand des Fürstlich Waldeckischen Archivs in Bad Arolsen,
V. Verzeichnis der Außerhalb des Stadtarchivs Bad Wildungen und des Hessischen Staatsarchivs Marburg in öffentlichen Einrichtungen verwahrten Pergamentfragmente aus Wildunger Provenienz,
VI. Konkordanz nach Folia (Seitenzahlen) und Verzeichnissen I bis V
Sie bedingen eine Fortschreibung des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke an der Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz.
Im Katalog werden sämtliche Pergamentfragmente der B36 aus den Verzeichnissen I bis IV auf 256 Abbildungen gezeigt. Soweit es sich um Teile einer Bibelseite handelt, sind sie digital zusammengefügt und anhand der als Unterlage dienenden Digitalisate der „Wiener“ Bibel an der zugehörigen Stelle platziert. Der Katalog wurde anlässlich
der interdisziplinären und internationalen Fachtagung zum Thema „Gutenberg 550 – Ergebnisse und Perspektiven der Inkunabelforschung-“ Ende Juni 2018 in Greifswald vorgestellt. Er fand große Beachtung und ist beim Autor für 20 Euro zuzüglich Zustellkosten und im Buchland Bad Wildungen, Brunnenstraße 54 erhältlich.
Glossar: Als Inkunabeln werden Druckerzeugnisse aus den ersten 50 Jahren des Buchdrucks nach der Erfindung durch Johann Gutenberg bezeichnet. Provenienz bedeutet Ursprung, Herkunft.