Adaline (12/19)

Küste vor Maine (Foto: David Mark auf Pixabay)

Anmerkungen: Infos zum Autor und seinem Werk finden Sie in der Folge 2. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser um Verständnis, dass seit der vorigen Folge aus organisatorischen Gründen eine längere Pause entstanden ist!

In einem verlassenen Fort an der Atlantikküste Maines sind Kit Carson und Washakie bei ihrem alten Freund Norman Schutzbier zu Gast. Dieser beschwört zunächst in Washakie Erinnerungen an die Vergangenheit herauf. Danach ist Kit Carson an der Reihe. Seine Gedanken kehren in eine Zeit zurück, in der er einen Treck nach Westen führte, an dem auch das junge Halbblut Adaline teilnahm. Unterwegs nähern sich Krieger der Cheyenne, die heimlich Böses im Schilde führen.

Als die ersten Cheyenne aufsprangen, hatte Kit Carson bereits seine Pistole gezogen. Da er von Indianern umzingelt war, würde sie ihm wenig helfen. Alles hing von seinem weiteren Auftreten ab.
Blitzschnell fuhr er einmal im Kreis herum, richtete die Waffe auf jeden, der ihn anstarrte. Noch hatten sie ihre Überraschung und Fassungslosigkeit nicht überwunden, und genau das musste er nutzen.
„Seht euch um!“ rief er laut. „Fällt euch auf, wie die Wagen stehen? Alle Männer sind geschützt, und einige sichern nach außen. Alle anderen aber haben euch im Visier!“
Er senkte seine Waffe nur leicht.
„Einige von euch habe ich belauscht, wie ihr euch gegenseitig gefragt habt, wo die jungen Frauen stecken, die ihr als Squaws heimzuschleppen gedachtet. In keinem der Wagen habt ihr sie gesehen. Hat euch das nicht bereits zu denken gegeben? Spätestens daran hättet ihr merken müssen, dass wir auf euren freundschaftlichen Besuch vorbereitet waren!“
Wieder hatte er die Waffe angehoben und sich erneut einmal im Kreis gedreht. Diesmal war der Abstand nach allen Seiten größer geworden.
„Was haben wir euch getan? Warum wollt ihr unsere Skalps, wie ich ebenfalls vernommen habe?“
Unvermittelt trat der Krieger vor, auf den Kit gerade seine Pistole gerichtet hatte, hob dabei aber vermittelnd die Hand.
„Ich bin Ah-Man-Nah-Ko, der Sohn des Häuptlings Old Bark. Wer bist du, dass du unsere Sprache sprichst?“
„Bei euch Ureinwohnern nennt man mich Vih-hiu Nis.“
Ein Raunen ging durch die Reihen der Krieger, als sie Kit Carsons Häuptlingsnamen bei den indianischen Stämmen vernahmen. Ah-Man-Nah-Ko fasste sich zuerst.
„Vor zehn Tagen wurde einer von uns in Colonel Sumners Fort ausgepeitscht, weil er angeblich den Schmuck einer Offiziersfrau gestohlen haben soll. Du weißt, dass es für unser Volk keine größere Schande gibt.“
„Es tut mir leid, wenn euch Unrecht angetan wurde. Aber auch in eurem Rachedurst müsst ihr noch erkennen, dass wir nicht für die Fehler anderer büßen wollen. Deshalb muss ich euch nun ersuchen, unser Lager zu verlassen.“
Nur langsam und mit soviel Würde, wie sie dabei an den Tag legen konnten, kamen die Cheyenne seiner Aufforderung nach.
Ah-Man-Nah-Ko ging als letzter und wandte sich noch einmal um.
„Jetzt, wo du uns deinen indianischen Namen genannt hast, wissen wir, wer du bist. Du hast einen Ruf als Kämpfer, aber als fairer Kämpfer. Deshalb sollst du wissen, dass die Angelegenheit noch nicht erledigt ist. Für mich ja. Aber ich kann nicht für andere garantieren.“
Kit nickte und schaute ihm dabei fest in die Augen.
„Ich danke dir für deine Offenheit, Ah-Man-Nah-Ko. Und ich darf dir versichern, dass man uns auch bei der nächsten Begegnung nicht unvorbereitet antreffen wird.“
„Ihr seid sehr wenige. Die Cheyenne aber sind zahlreich wie die Sandkörner ihrer Hügel.“
„Das werden wir zu berücksichtigen wissen.“
Die Sonne war versunken, als die Cheyenne nicht mehr zu sehen waren. Die Wagenburg war auf einer Anhöhe gebildet worden, die jede Art von Angriff erschwerte.
Im Dämmerlicht ging Kit Carson einige hundert Schritt auf eine unauffällige Stelle zu.
„Ich bin es“, sagte der blonde Scout mit beruhigender Stimme. Er bückte sich und zog eine Plane einige Yards weg. Die Erde und alles übrige, was sie verdeckt hatte, rutschte nach allen Seiten herunter.
Susan und Adaline richteten sich auf. Auch im Sternenlicht war die Erleichterung in ihren Gesichtern noch zu lesen.
„Danke, Nichte. Danke, Prärieblume. Ihr habt gelegen, wie ich es euch geraten habe. Ihr habt geatmet, wie ich es euch geraten habe. Ihr wart tapfer und geduldig. Ihr wart eins mit der Erde. Nur so konnten sie euch nicht bemerken.“
Er umarmte Adaline und hielt sie lange fest umschlossen. Sie sprach, während sie den Kopf an seine Schulter gelehnt hielt.
„Es war … seltsam. Aber ich glaubte, wirklich eins mit der Erde zu sein. Meine Arme und Beine schienen mit ihr verwachsen, in sie verlängert. Mein Atmen schien tief in sie hinein zu gehen. Meine Ohren erlauschten ihr Leben, meine Sinne drangen in ihr Inneres. Lachst du jetzt?“
Kit schüttelte energisch den Kopf.
„Ich weiß sogar, wovon du sprichst, Prärieblume. Und dieses Erlebnis wird dich in deinem Leben nicht mehr verlassen.“
Während sich die beiden jungen Frauen gegenseitig die Erde aus den Kleidern schüttelten, eilte Kit zum Wagenzug zurück.
„Bereitet den Aufbruch vor. Jetzt noch. Wir finden den Weg auch im Dunkeln. Haltet die Augen offen. Mit der Waffe in der einen und der Peitsche in der anderen Hand.“

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