Adaline

eine Western-Novelle von Leslie West, 1. Folge

Küste vor Maine (Foto: David Mark auf Pixabay)

Liebe Leserinnen und Leser, heute stellen wir Ihnen unsere neue Rubrik Wildungen-WeltWeit vor. In unregelmäßigen Abständen bringen wir Geschichten und Wissenswertes aus aller Welt. Wildungen-WeltWeit wird künftig über Alltägliches, Besonderes, über Gesellschaftliches, Wirtschaftliches und auch über Politisches aus aller Welt berichten. Recherchiert und geschrieben werden diese Beiträge von im In- und Ausland lebenden Autoren, die für uns ehrenamtlich tätig sind und im wahren Leben die unterschiedlichsten Berufsfelder beackern. Die Erzählung „Adaline“ von unserem Autor „Leslie West“ erscheint regelmäßig in Fortsetzungen.


Die Erzählung „Adaline“ wurde dem „Kit Carson Sammelband“ 2 von Leslie West entnommen, der in der Edition Bärenklau erschienen und über diesen Link als ebook und gedruckt erhältlich ist:
https://www.amazon.de/Schamanengeheimnisse-Kit-Carson-Sammelband-2-ebook/dp/B01CMLBTJA

An der Atlantikküste des US-Bundesstaates Maine, 1860-er Jahre

In diesem Abschnitt bestand die Küste aus blankem, geschliffenem Granit, der sich als sanft geneigte Bank ins Wasser schob. Granitene Kuppen hoben sich aus der See. Beim Schwimmen sah man den schieren Fels, auf dem die Entenmuscheln beinern leuchteten. Wo er ins Dunkel abfiel, waren reiche Fischgründe.
Adaline mit ihren tiefen dunklen Augen, mit ihrem langen glatten schwarzen Haar glitt mit gleichmäßigen, kräftigen Bewegungen durch die ernsten Fluten. Keine Bekleidung hinderte ihr Schwimmen. Sie empfand ihren hochgewachsenen und sehnigen Körper als natürliches Gewand gegen alle Welt, die sie hier umgab.
Die Stunden am Meer und im Meer führten über die Zeiten hinaus. Ihr Körper, im Einklang mit den Elementen, wollte sich in Geist verwandeln, der Geist sich wiederum körperlich verwirklichen. Die Kraft des Wassers übertrug sich auf sie. Wenn sie nach dem Schwimmen – war das, was sie tat, noch als Schwimmen zu bezeichnen? – sich am Ufer dem Wind aussetzte, der über das Wasser kam, sprangen Funken von ihren Haaren und ihren Händen ab. Reinheit und Freiheit lebten in der Flut. Sie blinkte in ungetrübter Kraft. In diese Tiefe dreier der vier Elemente einzudringen war nur über das Vertrauen möglich, das sie zu ihnen hatte. Sie traf sich mit den drei Elementen wie zu einem Eidschwur, vor dem man sich entblößt.
Ihr erstes Entblößen war vor Menschen gewesen, die es missbraucht hatten. Körperliches Entblößen. Doch ihren Geist hatte sie bis heute vor allen Menschen verbergen können.
Außer vor einem?
So sollte es bleiben.
Die Wälder, Matten und Meeresarme, aus denen Adalines äußere und innere Welt als Einheit bestand, schienen in diesem trüben Vormittagslicht zu träumen, lagen unverhohlen in einem Glanz unbekannter uralter Mythen, die noch niemand in Worte hatte fassen können.
Kräftige Schwimmzüge voll unbeschreiblichen Genusses führten Adaline weiter in die Bucht hinaus. Doch irgendwann würde sie ans Ufer zurück müssen. (Fortsetzung folgt)

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