In einem verlassenen Fort an der Atlantikküste Maines sind Kit Carson und Washakie bei ihrem alten Freund Norman Schutzbier zu Gast. Dieser beschwört zunächst in Washakie Erinnerungen an die Vergangenheit herauf. Danach ist Kit Carson an der Reihe, und zuletzt der dritte Gast der Runde, Louie Simmons. Und wie bei seinen Vorgängern spielt in seinem Rückblick ein schönes Halbblut mit dem Namen Adaline die Hauptrolle. Einst war sie seine Frau.
Wie kam er hierher?
Nachdenklich starrte Louis Simmons zum Mono Lake hinab, der im östlichen Teil Kaliforniens lag. Eine sonderbare Laune der Natur hatte diesen Natronsee im zentralöstlichen Kalifornien erschaffen. Wie mittelalterliche Trutzburgen auf schier unbesteigbaren Gebirgsflanken ragten weißgraue Kalktuff-Formationen an etlichen Uferstellen eines der ältesten Seen Nordamerikas empor. Die Lavadome am Südufer stellten hingegen die jüngste Hügelkette auf den nordamerikanischen Kontinent dar. Die Inseln im See waren vulkanischen Ursprungs. Die größte hatte erst vor ungefähr hundert Jahren die Wasseroberfläche durchbrochen. Der hohe Salz- und Mineraliengehalt des Binnensees hatte eine ganz besondere Flora und Fauna entstehen lassen. Fische gab es keine. Winzige Salzkrebse bildeten die Nahrungsgrundlage für Schwarzhalstaucher und Kaliforniermöven. Salzfliegen und ihre Larven ernährten Wilson-Wassertreter, Säbelschnäbler und Keilschwanz-Regenpfeifer.
Paiute-Indianer hatten sich als erste in diesen Regionen niedergelassen. Auch ihnen hatten die Fliegenlarven zur Ernährung gedient. Den größten Teil des Jahres verbrachten sie östlich der Berge rund um den Mono Lake und zogen nur im Herbst über den Kamm, um Eicheln und andere Baumfrüchte als Wintervorrat zu sammeln. Weiße hatten dieses Gebiet erst vor zehn Jahren entdeckt. Prospektoren erkundeten die Vorkommen von Rohstoffen. Ihnen folgten Bergleute, die zunächst nach Gold, später nach anderen Metallen gruben.
Und George Stilts. Mit Adaline.
Die Landschaft war faszinierend, doch nicht mit der Fruchtbarkeit des Sonoma Valley vergleichbar. Wie hatte es seine Frau – seine ehemalige Frau – hier nur aushalten können?
Adaline. An ihrem Verschwinden wäre er beinahe zerbrochen.
Vermutlich hatte er falsch gemacht, was er nur falsch hatte machen können. Vierzehn war sie gewesen, als er sie geheiratet hatte. Ungewöhnlich war das nicht gewesen. Auch sein Partner Kit Carson hatte seine Frau Josepha geheiratet, als sie so alt war.
Was hatte er sich vorgestellt? Ein Wesen zu bekommen, das er sich exakt so zurechtformen konnte, wie er es wollte?
Sie war von geradezu bestürzender Schönheit gewesen und war es sicher immer noch. Er war ihr vom ersten Augenblick an verfallen gewesen. Doch je mehr sie reifte, desto selbstständiger wurde sie. Auch wilder. Dass sie intelligenter als er war, ließ sie ihn nicht spüren, doch er wurde sich dessen schmerzlich bewusst. Er war ihr nicht gewachsen. Die Schafranch hatten sie von ihrem Vater bekommen. Er hatte alles versucht, um damit Erfolg zu haben, aber bald gemerkt, dass dies nicht das Leben war, dass sie sich wünschte. Und wieder hatte er falsch reagiert. Hatte versucht, sie zu unterjochen. Hatte zu trinken begonnen.
Wo mochte sie jetzt sein? Würde er sie bald sehen?
Mit zögernden Schritten näherte er sich dem einsam stehenden Gebäude und klopfte an die Tür. Eine verhärmte Frau öffnete ihm.
„Kann ich Ihnen helfen?“
„Vielleicht, Mrs. Wilson. Nachbarn haben mich an Sie verwiesen. Ich suche einen gewissen George Stilts – und seine … Frau. Heißt sie nicht Adaline?“
Die Frau sah ihn eindringlich an und schien schließlich zu einer Entscheidung zu kommen.
„Er hat nicht so viel Gold gefunden wie er sich vorgestellt hatte. Bald hat er zu trinken begonnen. Dann ist er mit seinem kleinen Sohn nach Idaho gegangen.“
„Und seine Frau?“
„Sie ist bald nach der Geburt gestorben.“
In Louis Simmons tat sich ein schwarzes Loch auf. Sein Entsetzen ließ ihn erstarren.
Mrs. Wilson brach als erste wieder das lange Schweigen.
„Wollen Sie Ihr Grab sehen?“
