Eine Analyse von Redaktionsmitglied Wolfgang Nawrotzki.
Am vorvergangenen Montag (10.10.22) beschloss die Bad Wildunger Stadtverordnetenversammlung das vorläufige AUS für das größte Investitionsprojekt der Badestadt.
Bereits in der Planungsausschuss-Sitzung, über die w-d berichtete, deutete sich der Preisschock an. Nun sollten also die Stadtverordneten Farbe bekennen.
Zunächst aber verteidigte Bürgermeister Gutheil den von den städtischen Gremien gefassten Beschluss über die „große Lösung“. Dann kam er aber kurz und bündig zur Sache. Als die Kämmerei, wie neu berechnet, das Defizit des rund 50 Mio. Euro teuren Neubaus für den schlechtesten Fall mit 4 Mio. Euro jährlich haushaltswirksam angab, kam die klare Ansage des Bürgermeisters: „Ich kann dieser Planung nicht mehr folgen. Das geht so nicht, wir blockieren den Haushalt auf Jahre!“ Gutheil betonte aber, dass er für ein Moratorium plädiere. Es gehe also nicht um ein Absetzen der Planung, sondern um ein „Aussetzen“. Es solle also keinen radikalen Stopp geben, sondern gemeinsam mit den Ausschüssen solle nach Alternativen gesucht werden. Er fügte hinzu, dass aus seiner Sicht eine Sanierung des alten Bades nicht in Frage komme.
Schnell wurde die Argumentationslinie deutlich, die sich in den Redebeiträgen der Fraktionen später auch wiederfand: Marc Vaupel (CDU): „Das ist keine Schande“, Walter Mombrei (SPD): „Wir brauchen uns nicht zu schämen“.
Hier machen es sich die Akteure allerdings zu einfach. Alles auf die nicht vorhersehbaren, krisenbedingten Mehrausgaben für Baukosten und Energiepreise zu schieben, trübt den Blick für einige unbequeme Wahrheiten:
Das Planungskonzept, wie es die Stadtverordneten durchsetzten, hatte von Anfang an drei grundsätzliche Schwächen:
Erstens ist es für eine Stadt von 18.000 Einwohnern geradezu grotesk überdimensioniert. Unter dem Ansatz „Familien- und Freizeitbad“ (CDU) bzw. „Freizeitanlage“ (Gutachten Constrata) wäre allenfalls ein Bad der leicht erweiterten Grundversorgung vertretbar. Möglicherweise wäre man dann auch näher an der „Wünschen“ der interessierten Öffentlichkeit gewesen. Es braucht nämlich ein Freibad für den Sommer und ein Hallenbad für den Winter. Um es mal etwas provokativ auszudrücken: noch etwas „Schnickschnack“ drum herum und fertig.
Zweitens: Das Großbad ist ganz offensichtlich am Bedarf vorbei konzipiert. Die Planer von Constrata und Pro-Fund haben sich zumindest an zwei Stellen ehrlich gemacht: Einmal als sie den Stadtverordneten empfahlen, keine weiteren „Attraktionen“ zu planen in der Hoffnung, dass das das Defizit verbessere. „Das wird nicht eintreten, die Besucherzahlen lassen sich nicht weiter erhöhen. Das gibt die Region nicht her.“ Zum anderen als sie – wiederholt in der letzten Stadtverordnetenversammlung – darauf hinwiesen, dass deutschlandweit die Besucherzahlen in Bädern diesen Typs seit Jahren zurückgehen. Bei der Beschlussfassung haben die städtischen Gremien diese Entwicklung nicht berücksichtigt.
Drittens: Es handelt sich um das größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte der Stadt. Wenn man bereit ist, zwischen dreißig und fünfzig Millionen Euro zu investieren, ist das vertretbar, wenn ein deutlicher Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur geleistet wird. Was heißt das? Drei jüngst für viel Geld erstellte Gutachten über die Zukunft der Stadt benennen einheitlich die Sicherung und den Ausbau der „Gesundheitsstadt“ als Ziel für die nächsten Jahrzehnte. Ein Familien- und Freizeitbad leistet hierzu de facto einen kaum wahrnehmbaren Beitrag. Das ist eigentlich gegenüber dem Steuerzahler unverantwortlich. Als Arbeitstitel sollte man in der jetzt angelegten Pause über ein anderes Modell diskutieren.
Vorschlag: Die Stadt entwickelt mit den besten Fachleuten Deutschlands ein „Gesundheitszentrum Heloponte“. Dieses ist speziell ausgerichtet auf selbstzahlende Gesundheitstouristen und ist ohne Zuschussbedarf betreibbar. Selbstverständlich erhält das Gesundheitszentrum für die Bürgerinnen und Bürger auch ein (verkleinertes) Freibad und ein Hallenbad.
Einige Überlegungen zum weiteren Vorgehen und zu Einzelheiten des gefassten Beschlusses finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, demnächst an dieser Stelle.
Im Großen und Ganzen stimme ich den obigen Ausführungen von Wolfgang Nawrotzki zu.
Das Projekt „Heloponte II“ sollte einen ganz neuen, ein wirklich transparenten, einen in alle Richtungen hin offenen neuen Findungs- und Entwicklungsprozess (mit einer Deadline Ende 2023) durchlaufen. Damit das Parlament am Jahresende 2023 zu einer Entscheidung kommt, die nicht nur den Bürgerwillen widerspiegelt, sondern auch auf einer für Bad Wildungen wirtschaftlichen Grundlage gründet.
Dazu ein Vorschlag: Das Glashaus im Bad Wildungen Kurpark, dort könnte ein Ort entstehen, wo so ein Findungs- und Entwicklungsprozess (Helopomte II) stattfinden; wo man mit den verschiedensten Fachleuten, mit allen Interessierten, ein neues hochattraktives und wirtschaftliches „Heloponte II“ entwickelt.
Wo sich alle interessierten Bürgerinnen und Bürgern, beim Flanieren durch den Kurpark, stets über den neusten Entwicklungs- und Planungsstand, mit allen Alternativen und Vorstellungen zum Projekt „Heloponte II“, an Modellen, Filmen, Bildern und Plänen, hautnah informieren können.
Somit den stets aktuellen Entwicklungs- und Planungstand präsentiert bekommen. Ein Ort, wo man seine Kritik, seine eigenen Vorstellen und Ideen einbringen kann.
Fazit: Ein idealer Standort und ein ideales Gebäude für eine Präsentation zur zukünftigen Stadtentwicklung.
Wirkliche Demokratie lebt von dem Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger; von konstruktiver Kritik, von der Einbringung guter Ideen – sowie eigener Vorstellungen.