Passauer Ökonomen: Autobahn-Tempolimit gut für Gesundheit und Klima

Foto: obx-news/Universität Passau

Wissenschaftler der Universität Passau und der Berliner Hertie School: Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen würde nicht nur zu weniger Toten und Verletzten führen, sondern auch positive Effekte für Millionen Anwohner im Umkreis haben.

Passau/Berlin (obx) – Es ist eine Frage, die auch im aktuellen Bundestagswahlkampf wieder die Gemüter bewegt: Braucht Deutschland ein Tempolimit auf den Autobahnen? Ökonomen der niederbayerischen Universität Passau und der Hertie School Berlin schalten sich jetzt in die Debatte ein. Ihr Fazit: Ein Tempolimit würde die Anzahl der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten reduzieren und hätte darüber hinaus noch weitere Effekte, von denen Millionen Menschen profitieren würden. Das zeigen die Professoren Stefan Bauernschuster, Inhaber des Lehrstuhls für Public Economics an der Universität Passau, und Christian Traxler, Professor für Ökonomie an der Berliner Hertie School, in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Perspektiven der Wirtschaftspolitik“.

Deutsche Autobahnen stechen im internationalen Vergleich keineswegs als besonders sicher heraus. Zudem zeigt eine breite, internationale Literatur, dass überhöhte Geschwindigkeit die mit Abstand häufigste Ursache für tödliche Unfälle sei. Da bei hohen Geschwindigkeiten Emissionen von Schadstoffen zudem überproportional zunehmen, könne ein Tempolimit über einen Rückgang an Luftverschmutzung der Gesundheit zuträglich sein. „Studien aus den USA kommen sogar zu dem Schluss, dass die Gesundheitseffekte eines Tempolimits durch einen Emissionsrückgang ähnlich stark sein könnten wie jene durch die erhöhte Verkehrssicherheit“, sagt Professor Bauernschuster. Das spiele aber in der derzeitigen Debatte kaum eine Rolle, kritisieren die Ökonomen. In ihrem Beitrag zeigen sie anhand von kleinräumigen geographischen Raster-Daten: In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen im Umkreis von zwei Kilometern zum nächsten Autobahnabschnitt ohne Tempolimit. „Diese Werte weisen darauf hin, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung unmittelbar von einem Emissionsrückgang profitieren könnte“, schreiben die Autoren.

Dass Luftverschmutzung durch den Pkw-Verkehr auch in Deutschland zu nicht unerheblichen Gesundheitsproblemen insbesondere bei Kindern und älteren Menschen führt, sei in einer Reihe von empirischen Arbeiten nachgewiesen worden. 

Ein Tempolimit hätte auch einen nicht vernachlässigbaren Effekt auf die CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs, die über die letzten 25 Jahre gestiegen sind: Die Ökonomen berufen sich auf Berechnungen des Umweltbundesamts, wonach bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Stundenkilometern der CO2-Ausstoß in einem Ausmaß zurückgehen würden, welches einer Reduktion des Pkw-Verkehrs in Städten um 13 Prozent entspricht. 

Ein Tempolimit könne darüber hinaus Elektroautos attraktiver machen, die derzeit bei hohen Geschwindigkeiten gegenüber Verbrennern im Nachteil sind. Außerdem würden durch Rückgang der Varianz und des Mittels der Geschwindigkeiten Anreize für die Weiterentwicklung autonomen Fahrens gesetzt. 

Klare Gewinner eines allgemeinen Tempolimits wäre den Ökonomen zufolge neben dem Schwerverkehr auch ein Großteil des Leichtverkehrs, und zwar jene Autofahrerinnen und Autofahrer, die bereits jetzt nicht schneller als 130 Stundenkilometer fahren. Denn durch den Rückgang an unfallbedingten Staus, Sperrungen und Umfahrungen ergäben sich klare Zeitgewinne. Diese Zeitgewinne würden bis zu einem gewissen Grad auch die Zeitverluste für jene kompensieren, die wegen des Tempolimits dann mit niedrigerer Geschwindigkeit fahren würden. 

Bei allen Aussagen verweisen die Forscher jedoch auch auf die dürftige Datenlage in Deutschland. So gäbe es beispielsweise keine repräsentativen, aktuellen Daten zur Geschwindigkeit auf Autobahnen. Die letzte systematische Evaluationsstudie zum Tempolimit sei vom Bundesverkehrsministerium vor mehr als 45 Jahren in Auftrag gegeben worden. Deshalb untermauern die Ökonomen aus Passau und Berlin die Forderung des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministeriums nach einer „stärker evidenzbasierten Verkehrspolitik“. Dies würde die oft emotional geführte Debatte um ein Tempolimit versachlichen. In dem Fachbeitrag schlagen sie ein von Beginn an wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt zum Tempolimit vor.

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