Fragen zum Ukraine-Krieg und Vorgeschichten

Carl von Ossietzky (* 3. Oktober 1889 in Hamburg; † 4. Mai 1938 in Berlin) war ein deutscher Journalist, Schriftsteller und Pazifist. Foto: Carl von Ossietzky als Häftling des NS-Regimes im KZ Esterwegen (1934) (Wikipedia)

Eine Welle der Hilfsbereitschaft, Solidarität und nun auch der militärischen Aufrüstungsbereitschaft dominiert seit vier Wochen die öffentlichen wie auch häufig die privaten Diskussionen. Dazu könnte man auch Fragen stellen, die jedenfalls bislang in der öffentlichen Debatte vernachlässigt werden – warum auch immer. Vielleicht, sehr geehrte Leserinnen und Leser, können auch Sie von den Fragen profitieren, die in Ossietzky, Zweiwochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft thematisiert wurden. (hmz)

Wessen Krieg?
Ist es wirklich Putins Krieg? Warum wurde die Russische Föderation als europäischer Vielvölkerstaat nach dem Ende der Blockkonfrontation nicht direkt Mitglied der Nato? Die entsprechende Passage in der Putin-Rede vom 21. Februar 2022 wurde bisher weder zitiert noch kommentiert. […]
Den Krieg in der Ukraine haben die Führungseliten im Weißen Haus und im Kreml inspiriert, initiiert, beschleunigt, um ihre Politik mit anderen, nämlich militärischen Mitteln durchzusetzen. Es ist nichts anderes als ein imperialistischer Stellvertreterkrieg um politische Einflusssphären, Märkte und Rohstoffreserven. Die Russische Föderation wurde unter Jelzin und Putin zu einem kapitalistischen Staat der Oligarchen deformiert. Putin hat die Macht mit ihnen geteilt und ist ihr Nutznießer, muss also ihre Pfründe gegen jeden Zugriff von außen sichern, koste es, was es wolle.

Die innenpolitischen Zustände in der Ukraine und die Hinhaltetaktik der EU, was deren Aufnahme betraf, boten Washington zunächst per Orangener Revolution eine Chance, um sich Einfluss zu verschaffen und das Land als Speerspitze der Nato gegen Russland zu profilieren. […]

Genau das ist der Punkt, wo statt Freiheit, Demokratie, Menschenrechten, und Völkerrecht der wirkliche Uncle Sam ins Licht rückt und sich Sanktionen als perfide Falle und Bumerang erweisen. Es geht schlichtweg um Öl, Gas, Getreide, Märkte und Profite für die US-Wirtschaft. […]

Warum redet eigentlich niemand von den vorrangigen wirtschaftlichen Interessen Washingtons? Denn mit den Sanktionen lasten die USA ihren Verbündeten immense unkalkulierbare wirtschaftliche Folgen und Risiken auf, strangulieren ihre Haushalte durch erhöhte Rüstungsausgaben und überlassen ihnen das Schicksal der Kriegsflüchtlinge. […]

Der Bundesrepublik Deutschland überließ Washington ganz nebenbei die Führungsrolle in der EU. Schließlich muss das gesamte US-Potenzial gegen den Lieblingsfeind Nr. 1, die Volksrepublik China, mobilisiert werden. Die rot-grün-gelben Koalitionäre treiben die Bundesrepublik auf Jahre hinaus in den Kriegsmodus. »Mit dem Überfall auf die Ukraine sind wir in einer neuen Zeit«, konstatierte Bundeskanzler Olaf Scholz und spendierte der Bundeswehr 100 Milliarden Euro extra »für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben«. […]

Wie schrieb Carl von Ossietzky vor knapp 100 Jahren schon sehr hellsichtig: »Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.«
Quelle: Hans-Jürgen Nagel in Ossietzky

dazu auch: Krieg und Vorkrieg
Noch im Dezember letzten Jahres veröffentlichten hochrangige deutsche Ex-Diplomaten und -Militärs in »allergrößter Sorge« einen dringenden Appell: »Raus aus der Eskalationsspirale! Für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland« (nachzulesen unter diesem Titel im Internet). Es sei allerhöchste Zeit, Russland und die Nato aus der Konfrontation herauszuführen. Auf der Grundlage der »Anerkennung der Sicherheitsinteressen beider Seiten« sollte die Nato auf Russland zugehen und durch konkrete Maßnahmen – die Unterzeichner benennen sie – auf Deeskalation hinwirken.
Der Appell erschien – mit Ausnahme von zdf.de – in keinem einzigen großen deutschen Medium. Lediglich die Website Heise, rt.de, die NachDenkSeiten und neues deutschland hielten diesen verzweifelten Versuch, den absehbaren Krieg zu verhindern, für berichtenswert. Warum boykottierten die Mainstream-Medien den Appell »staatstragender« Persönlichkeiten?
Quelle: Georg Rammer in Ossietzky

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