Wieder aufgetaucht: Neues von der Itzelstraße, Teil 3

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Das letzte Einzelhandelsgutachten stammt aus dem Jahr 2017. Im April 2021 gab der Magistrat eine Fortschreibung des vorliegenden Gutachtens in Auftrag. Als Begründung findet sich in diesem unter „Aufgabenstellung“ (S. 8) der Passus: „Seit Konzepterstellung haben sich jedoch die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Nahversorgungseinzelhandels in der Stadt verändert.“ Und weiter: „Zudem soll ein Begehren des Lebensmitteleinzelhandels (E-Center Verlagerung von der Odershäuserstraße zur Itzelstraße) konzeptionell eingeordnet werden.“ (S.9).

Damit wird deutlich, dass der Neuauftrag einzig dem Zweck dient, die Verlagerung des Herkules-Marktes an die Itzel und die Verhinderung einer Bebauung von Brunnenallee 1 durchzusetzen. Das wichtigste Segment der Nahversorgung ist der Lebensmitteleinzelhandel. Er ist in den vier Jahren völlig unverändert geblieben. Die Aussagen des Gutachtens zu den Veränderungen in anderen Bereichen des periodischen Bedarfs, z.B. durch manche Formen von Dienstleistungen (also der Nahversorgung im engeren und weiteren Sinne), können jetzt noch gar nicht abschließend beurteilt werden. Manche Beobachter erwarten eine vierte Corona-Welle und zunächst muss abgewartet werden, welche Veränderungen auch mittelfristig stabil sind.

Das Lademann-Gutachten scheint in vielen Teilen mit erheblichen Unsicherheiten belastet.

Einige Beispiele:

Im Kapitel 2 „Allgemeine Entwicklungstrends im Einzelhandel“ heißt es (S. 21): „Größere Lebensmittelanbieter spielen allerdings auch eine wichtige Rolle für Innenstädte sowie für Stadtteil- und Wohngebietszentren durch ihre Funktion als Magnetbetriebe und Frequenzbringer. Vor diesem Hintergrund ist eine Integration dieser Betriebe in gewachsene integrierte Standorte nach Möglichkeit zu fördern.“ Mit der im Gutachten empfohlenen Verlagerung des Herkules-Marktes an die Itzelstraße wird diesem Grundsatz eklatant widersprochen.

In der Vorlage des Magistrats wird darauf abgehoben, dass das Areal der Molkerei im Regionalplan als „Siedlungsfläche – Bestand“ dargestellt ist und dass auf Siedlungsflächen großflächige Einzelhandelsbetriebe zulässig sind. Im Einzelhandelsgutachten findet sich die entsprechende Aussage auf Seite 34 – allerdings mit dem Zusatz „nur an städtebaulich integrierten Standorten“, der in der Magistratsvorlage sicherheitshalber verschwiegen wird. Es wird sich zeigen, dass hier eine weitere erhebliche Schwachstelle vorliegt.

In Kapitel 6 „SWOT- Analyse zum Einzelhandelsstandort Bad Wildungen“ wird auf mögliche Risiken der Einzelhandelsentwicklung hingewiesen: „Großflächige Ansiedlungsbegehren sollten daher fundiert (z.B. auf der Grundlage des vorliegenden Einzelhandelskonzepts und eines städtebaulichen und raumordnerischen Verträglichkeitsgutachtens) hinsichtlich der Chancen und Risiken abgewogen werden.“ Ein weiterer, fast gleichlautender, Hinweis hierzu findet sich auf Seite 89 des vorliegenden Gutachtens. Wir weisen jetzt schon darauf hin, dass es fast aussichtslos erscheint, die Verträglichkeit der Umsiedlung des Herkules belastbar nachzuweisen. Außerdem ist es höchst befremdlich, dass die Stadtverordnetenversammlung nach Meinung des Magistrat das Einzelhandelskonzept beschließen soll, ohne dass diese Verträglichkeitsprüfung vorgenommen worden ist. Wir sind gespannt, was die Genehmigungsbehörde dazu sagen wird.

(wird fortgesetzt)

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2 Kommentare

  1. In Kleinstädten wie Bad Wildungen, insbesondere in deren Kern- bzw. Altstadtbereichen, sollten keine gewaltigen Supermärkte, mit viel Autoverkehr, dementsprechend auch mit den dafür notwendigen Parkplätzen, gebaut werden.

    Nein, hier sollten sich kleine gefühlsbetonte Geschäfte aller Art (sogenannte „Tante Emma“ Läden) gründen können.
    Damit dies auch wieder möglich wird, müssen die kleinen Geschäfte wieder mit den großen Märkten konkurrieren können.

    Mit einem stimmigen Grundeinkommen kann diese Gleichheit am Markt wieder hergestellt werden. Der Laden- bzw. die Ladenbesitzerin kann dann mit dem Verkauf von Waren, Gütern und Dienstleistungen ihr Einkommen nur noch erhöhen.

    Fazit: Soll sich eine auf Eigendynamik basierende lebensbejahende Stadtentwicklung, insbesondere in den Kleinstädten, wieder in Gang setzten, muss ganz neu gedacht, müssen ganz neue Wege gegangen werden.

    Darüber sollten die Akteure in der Politik zumindest Mal Gedanken machen.
    Große Einkaufszentren, die eine hohe Anziehungskraft, weit über die Stadt hinaus, haben, sollten bequem mit dem Auto erreichbar sein, sie gehören (meiner Meinung nach) konvergiert und zentriert an einem besonders ausgewählten Randbereich einer Stadt – und nicht in das Stadtcentrum.
    Aber auch hier wird sich, durch den Internetverkauf, verändern.

  2. Gutachten und Bösachten
    Da schau her! Da sitzt ein Sachkundiger in der Redaktion von Wildungen Digital und der interessierte Leser fragt sich, woher der wohl all die faktischen Interna kennt. Da wüsste man schon gerne den Autor der konflikthaltigen Analyse.
    Ein der Stadtregierung unerwünschtes Gutachten in Bezug auf die Frage, ob die ehemalige Molkerei am Rande der Stadt, wo bereits zwei andere nahegelegene Supermärkte (Lidl und Aldi) liegen, ein Edeka/Herkules-Zentrum umgewandelt werden kann, sollte demnach mit einem neuen außer Kraft gesetzt werden. Anscheinend ist ein gewisser Herr Lademann der Autor dieses „Bösachtens“.
    Wenn man sich daran erinnert, dass schon mal mitten in der Stadt das ziemlich große Grundstück Brunnenallee 1 für ein Lebensmittel-Einkaufszentrum konzipiert worden war, dann kann man sich ja nur wundern, dass diese Lage ausgerechnet im Gegensatz zur alten Molkerei nun kein „integrierter Standort“ für einen derartigen Betrieb sein soll.
    Betrachtet man die parteiliche Konstellation, so ist es kein Wunder, dass die SPD als einstige Oppositionspartei, die damals für den Standort Brunnenallee 1 war, nun aber den Bürgermeister stellt, das von diesem bestellte Bösachten aber eigentlich ablehnt, sowohl im Planungsausschuss als auch im Stadtparlament blockiert ist.
    Stellt sich die Frage, wie denn diese Partei sich für die praktikable Nahversorgung der relevanten Bewohner, z. B. Mütter mit Kinderwagen und Senioren, einsetzen will.

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