Naturschutzinitiative: „Beispielloser Kuhhandel“ für Seilbahn im Nationalpark

Umweltverband Naturschutzinitiative e.V

Neue Streckenführung vom großen Schiffsanleger hoch nach Waldeck und zurück (Quelle: NABU Waldeck-Frankenberg)

Nationalpark-Erweiterung mit Schönheitsfehlern

Anfang Oktober 2020 wurde der hessische Nationalpark „Kellerwald-Edersee“ auf einer Gesamtfläche von 7.688 Hektar rechtskräftig erweitert. Die Erweiterung umfasst hauptsächlich die sehr naturnahen, urwaldartigen Steilhangwälder nördlich des Ederstausees. Zeitgleich mit der Debatte um die Nationalpark-Erweiterung tauchten Pläne einer privaten Investorengruppe für den Neubau einer Seilbahn auf, deren Trasse die Steilhangwälder in der Erweiterungskulisse komplett durchschneiden würde.

Wie aus einem Bericht in der lokalen Presse hervorgeht, wurde im Zuge des Anhörungs- und Abstimmungsverfahrens zur Nationalpark-Erweiterung offensichtlich ein beispielloser Kuhhandel in die Wege geleitet, der den Bau der Seilbahn quer durch den nationalpark-geschützten Steilhang unterhalb des Burgschlosses Waldeck nunmehr auch „legalisieren“ soll.

Im § 10 der jetzt gültigen Nationalparkverordnung wurde klammheimlich die „Neuerrichtung einer Seilbahn“ als mögliche „zulässige Nutzung“ verankert. Ein spitzfindiger, gleichwohl aber juristisch angreifbarer „Schachzug“ der Seilbahn-Befürworter.

Nicht nur goutiert, sondern auch aktiv „unterstützt“ wird das Projekt vom Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg, Dr. Reinhard Kubat. In dem genannten Zeitungsartikel wurde darauf verwiesen, dass man sich „im Rahmen der Verantwortlichkeiten des Kreises gemeinsam mit der Bauaufsicht und dem Naturschutz für die Realisierung des Projekts eingesetzt habe.“ Zuvor wurde die Seilbahn-Planung von einem anderen hessischen Umweltschutzverband in einer Stellungnahme bereits im Juli 2020 „als nicht genehmigungsfähig“ abgelehnt.

In einer öffentlichen Stellungnahme hat zudem der Korbacher Landschaftsplaner und Wissenschaftliche Beirat der Naturschutzinitiative e.V. (NI) Norbert Panek das Vorgehen des Landkreises scharf kritisiert. Der Nationalpark werde zur billigen Kulisse eines offensichtlich auch politisch motivierten Prestige-Projekts und zum touristischen Rummelplatz degradiert. Mögliche naturschutzrechtliche Bedenken würden ausgehebelt oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen.

„Der Bau von Einrichtungen wie z. B. Seilbahnen oder anderen sogenannten Infrastruktureinrichtungen hat in der Kernzone eines Nationalparks nichts zu suchen. Erfolgt ein solcher Bau trotzdem, wäre das ein rechtlicher Tabubruch, der in dieser Dimension nicht nur bundesweit einen Präzedenzfall schaffen würde, sondern auch einen deutlichen Imageverlust für unsere Nationalpark- und Welterbe-Region zur Folge hätte“, so Harry Neumann, Landesvorsitzender der NI und Norbert Panek, Wissenschaftlicher Beirat des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V: (NI). Die Seilbahn-Planung könnte möglicherweise auch eine wünschenswerte Erweiterung der UNESCO-Weltnaturerbestätte verhindern sowie den durch die Internationale Naturschutz-Union (IUCN) anerkannten Status des Nationalparks gefährden. Die Naturschutzinitiative werde jetzt weitere rechtliche Schritte gegen das geplante Vorhaben prüfen, so der Naturschutzverband.

In den Steilhängen am Waldecker Schlossberg wachsen seltene naturnahe Wälder trockenwarmer Standorte, die allein schon nach dem Bundesnaturschutzgesetz als „Biotop“ – auch ohne Nationalpark – einen Pauschalschutz genießen. Hinzu kommt der sowohl gravierende optische als aber vor allem auch funktionale Eingriff der Seilbahn-Trasse, die den Hang diagonal zerschneidet. Nicht zuletzt dürften denkmalpflegerische Belange den Bau der Seilbahn in Frage stellen.

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1 Kommentar

  1. Zukünftige große Vorhaben, sie sollten in Zeiten der anstehenden und auf uns zukommenden Krisen (…), in Zeiten wo sich Vieles in unserem Leben und Wirtschaften verändern wird, auf ihre Sinnhaftigkeit, auf ihren tatsächlichen Nutzen für Mensch, Umwelt und Natur hin überprüft werden:

    Ist so ein Vorhaben (so eine Investition), in dieser Größe und Form, in unserer Edersee-Region, für unser künftiges Leben und Zusammenleben, insbesondere für unser zukünftiges Wirtschaften (mit der sich daraus ergebenen Einkommensschöpfung und Entwicklungsdynamik), wirklich erforderlich?

    Bringt es der Edersee-Region wirklich den gewünschten und notwendigen Nutzen, den Schub hin zu einer positiven dynamischen touristischen Entwicklung?

    Trägt es wirklich mit dazu bei, die anstehenden Probleme zu lösen, die zukünftigen Aufgaben bewältigt zu bekommen – ist es somit ein für unsere Region zukunftsweisende Vorhaben, eine gute Investition?

    Was tun, wie kann man hier zu einer wirklich objektiven Beurteilung und letztendlich auch Entscheidung kommen?

    Ein „offener öffentlicher Wettbewerb“ kann hier helfen.

    Hier können sich „Pro und Contra“, auf Augenhöhe, öffentlich vorstellen – müssen sich als falsch oder richtig beweisen.

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