„Gemeinnütziger Journalismus“ – was ist das denn?

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Nachfolgend geben wir auszugsweise einen Artikel aus der TAZ zu oben genanntem Thema wieder. Wildungen-digital versteht sich seit der Gründung als Teil eines ehrenamtlichen Journalismus. Unser Trägerverein ist dementsprechend aufgrund seines Bildungsangebots als gemeinnützig anerkannt. Spenden an unseren Verein können daher steuerlich geltend gemacht werden. Den TAZ-Artikel verstehen wir als Unterstützung unseres Ansatzes. (red.)


Gemeinnütziger Journalismus: Plädoyer für den Aufbau
Gemeinnütziger Journalismus kann die dritte Säule im Mediensystem werden. Dafür muss die Ampelkoalition jetzt den Weg frei machen.

David Schraven, 12.11.2021, TAZ

„In diesen Tagen könnten sich die Bedingungen für Reporter:innen in Deutschland entscheidend verbessern – wenn die Ampel in ihren Verhandlungen festschreibt, gemeinnützigen Journalismus möglich zu machen.“ Das twitterte am Dienstag Daniel Drepper. Er ist der Investigativchef von Ippen, (…).

Formell geht es darum, dass die künftige Regierungskoalition den gemeinnützigen Journalismus in die deutsche Abgabenordnung und die Presseförderung aufnimmt. Dahinter steckt aber mehr. Es geht darum, den digitalen Wandel in den deutschen Medien möglichst breit auszurollen. Es geht darum, eine dritte Säule im Journalismus zu schaffen, neben Privatverlagen und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Spenden wären von der Steuer absetzbar, wie bei einem Sportverein, neue Geschäftsmodelle möglich.

Die Veränderungen auf dem Medienmarkt werden inzwischen vielen Menschen schmerzlich bewusst: Die Heimatzeitung wird dünner, enthält belanglosere Berichte, Faktenchecks vor Ort existieren nicht – und manche Zeitungen verschwinden sogar ganz. Es gibt „Eine-Zeitungs-Kreise“ und die ersten „Keine-Zeitungs-Kreise“ dräuen. Damit verschwindet Vielfalt vor Ort und damit die Chance für Aufklärung und Demokratie. Es fehlt an Geld.

Die Folgen sind drastisch, wie viele Studien zeigen. Das bürgerschaftliche Engagement geht zurück, weil keiner mehr über das Ehrenamt berichtet, heißt es in einer Princeton-Studie. Die lokale Korruption nimmt zu, weil keiner mehr Fehlverhalten enthüllt, schreibt ein Team der Uni Harvard. (…)

Dieser Skandal (Anmerkung Redaktion: gemeint ist hier der Skandal um Bild-Chef Julian Reichelt) wirft ein Schlaglicht auf die Zustände in Deutschland. Gerade im lokalen Raum sind entsprechende Blockaden der Presse auf Basis unterschiedlicher, auch wirtschaftlicher Machteinflüsse umso leichter möglich, je weniger Medienschaffende es vor Ort gibt, die publizieren können.

Die Vielfalt des Angebots ist entscheidend für die Demokratie. Gemeinnützige Angebote können dabei helfen, Lücken zu schließen – wenn gemeinnütziger Journalismus von der Ampelkoalition endlich ermöglicht wird.

(…) Doch dass diese Chance eröffnet wird, ist nicht sicher. Obwohl die Ampelparteien die Einführung des gemeinnützigen Journalismus in ihren Wahlprogrammen stehen haben und die Grünen und die FDP sogar schon in der Vergangenheit entsprechende Gesetzentwürfe über den Bundestag und den Bundesrat eingereicht haben, ist keineswegs klar, dass die Innovation kommt.

Mächtige Gruppen machen hinter den Kulissen Stimmung gegen die Einführung dieser neuen Form des Journalismus in unser Mediensystem. Die Argumente sind teils absurd. Es heißt, etablierte Verlage würden benachteiligt oder Geschichten finanziert, die sich nicht verkaufen lassen würden. Der gemeinnützige Journalismus diene also der Finanzierung erfolgloser Projekte.

Diese Gruppen wünschen sich lieber Subventionen für klassische Papierverlage in dreistelliger Millionenhöhe und eine Absicherung existierender Biotope, als eine neue Vielfalt im lokalen Raum, die von den Spenden einzelner Menschen getragen wird.

Die Mächtigen können sich nicht vorstellen, dass zufriedene Leute für gute Geschichten freiwillig Geld spenden. Vor allem innovative Vorhaben können mit Hilfe rechnen. Der gemeinnützige Journalismus ist ein Experimentierfeld und ein Antreiber für den digitalen Wandel des Journalismus.

Es bleibt zu hoffen, dass die neue Koalition die Blockaden überwindet. Denn der gemeinnützige Journalismus ist ein Dienst an der Demokratie.

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