„Frieren für die Freiheit“? Die Gaga-Infantilität der Meinungsmache kennt keine Grenzen mehr

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Ein Kommentar von Jens Berger.*

Deutschland ist ganz besoffen vor lauter Solidarität mit der Ukraine. Das überrascht nicht, wirken doch die meinungsbildenden Talkshows der Republik seit Wochen so, als hätte der PR-Stab der ukrainischen Regierung die Redaktion übernommen. Nun schwadroniert man über die große Schuld, die Deutschland auf sich laden würde, wenn man weiterhin russisches Gas und Öl bezieht. Der Anspruch dieser Debatten ist im freien Fall und im öffentlichen rechtlichen Niveau-Limbo-Contest setzte der Altbundespräsident Joachim Gauck am Mittwoch bei Maybrit Illner einen neuen Tiefpunkt: „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit“. Geht es noch dümmer? Heute sind wir besoffen, morgen schon wird der Kater kommen. Und wie groß die Solidarität noch sein wird, wenn wir nicht nur frieren, sondern die Benzinpreise die Drei-, Vier- oder gar Fünf-Euro-Marke reißen, während das Land in einer Wirtschaftskrise versinkt, wird sich noch zeigen.

Dass Joachim Gaucks Bild der Welt eher schlicht gestrickt ist, ist hinlänglich bekannt. Und dass in jedem zweiten Satz von ihm der Begriff „Freiheit“ verbal vergewaltigt wird, ist auch nicht neu. Er war „der falsche Präsident“ und hat wenig überraschend seit dem Ende seiner Dienstzeit nichts dazugelernt. Geschenkt.

Geschenkt ist auch, dass der Mann, der vom Steuerzahler einen „Ehrensold“ in Höhe von 236.000 Euro pro Jahr und zusätzlich eine Amtsausstattung in Höhe von 385.000 Euro pro Jahr bezieht, Rentnern, die gerade einmal ein Hundertstel dieser Bezüge bekommen, rät, doch einmal für die „Freiheit“ zu frieren.

Ebenfalls geschenkt ist, dass er dem Volk, das nach Jahren coronamaßnahmenbedingter Tristesse und Isolation am Rande des Nervenzusammenbruchs steht, noch nachschiebend rät, nun „einmal ein paar Jahre zu ertragen, dass wir(sic!) weniger Lebensglück und Lebensfreude haben“. Offenbar sind auch ehemalige Pfarrer nicht davor gefeit, mit dem Begriff „Empathie“ nichts anfangen zu können.

Das ist alles geschenkt. Über den moralischen Verfall der Eliten hatte sich der Kollege Frank Blenz bereits ausgelassen. Hier soll es darum gehen, wie wenig Verständnis nicht nur der oberste „Freiheits-Pfaffe“, sondern generell die meinungsbildenden Eliten von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und den Folgen ihrer transatlantischen Schnapsideen für das normale Volk haben.

Heute sollen wir unsere Solidarität mit den Ukrainern durch die üblichen Spendenmarathons unter Beweis stellen. Man darf das durchaus auch als modernen Ablasshandel verstehen. Nachdem uns Ablassprediger wie der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, der offenbar Karl Lauterbach nun als Dauergast in den Talkshows verdrängt hat, unsere angeblich übergroße Schuld für das Leiden der Ukrainer eingetrichtert haben, bekommen wir praktischerweise gleich die Kontonummer mitgeteilt, über die wir für unsere Schuld sühnen können. Genial!

Doch das reicht den transatlantischen Predigern noch nicht. Sie fordern nun, Deutschland solle sämtliche Energieimporte aus Russland einstellen. Und die Talkshow-Damen bestaunen das mit großen Kuhaugen und sagen nichts. Sind sie so dumm? Sind sie vielleicht sogar ebenfalls von diesen transatlantischen Schnapsideen angetan? Oder sind sie einfach nur feige und wagen es nicht, Kritik an den Narrativen vorzubringen, die derzeit opportun sind? Man könnte dann ja als „Putin-Versteher“ gelten und sich damit nicht nur um Kopf und Kragen, sondern auch um eine Vertragsverlängerung reden. Meinungsfreiheit, das war gestern.

Dabei gehört doch gar nicht mal so viel Verstand und Phantasie dazu, sich auszumalen, was es hieße, wenn man sich freiwillig von 55 Prozent der Erdgas- und 35 Prozent der Erdölimporte abschneiden würde. Mit „Frieren für die Freiheit“ ist es dann nämlich nicht getan. Und wir reden jetzt auch nicht mehr von Niedriglöhnern und Rentnern, die schon heute ihre Gasrechnungen nicht mehr bezahlen und das Auto stehen lassen müssen. Wenn auch Normalverdiener zwei Drittel ihres verfügbaren Einkommens für Heizung und Mobilität ausgeben müssen, war es das erst mal mit unserer Binnennachfrage. Dann ist kein Geld mehr da für Reisen, Essen gehen, Kultur oder sonstige Ausgaben, die nicht dem bloßen Lebenserhalt dienen. Dann können die Betriebe aus diesen Branchen, die den Corona-Wahnsinn überlebt haben, aus Solidarität mit der Ukraine in die Insolvenz gehen und sich bei der Arbeitsagentur zusammen mit den ehemaligen Mitarbeitern von Unternehmen anstellen, die auf bezahlbare Energiepreise oder Rohstoffe wie Aluminium oder Titan aus Russland angewiesen sind. Übertreibe ich? Keineswegs. Ich hatte das anhand der Gaspreise vorgestern in einem Artikel mal überschlagen.

Wie groß wird die Solidarität unserer Mitbürger noch sein, wenn sie erwerbslos sind oder die Gasrechnung auf 800 Euro pro Monat steigt, der Strompreis sich verdreifacht und an den Tankstellen vier oder fünf Euro für den Liter verlangt werden? Da kann ein Joachim Gauck sich auch mal aus Solidarität abends den dicken Kaschmirpulli anziehen. Sein Fahrer wird die Tankrechnung schon bezahlen können – bei 385.000 Euro Amtsausstattung pro Jahr ist das drin. Die meisten unserer Mitbürger dürften das nicht ganz so locker sehen und sich fragen, wofür wir eigentlich nun unseren – massiv ungleich verteilten – „Wohlstand“ opfern. Vielleicht laufen dann ja Spendenticker im US-Fernsehen. Zahlt Euren Ablass für die tapferen Deutschen, die aus Solidarität mit der Ukraine ihr Land ruiniert haben.

*) Redakteur der NachDenkSeiten

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2 Kommentare

  1. Es ist doch schändlich und entlarvend, wie jemand, der in einem Verein für Meinungsvielfalt ist, über jemanden mit einer anderen Meinung herfällt, weil ihm diese nicht gefällt.

  2. Wer es bis jetzt noch nicht wusste, wo und wie die „Nachdenkseiten“ einzuordnen sind, der begreift es jetzt durch diesen die Menschen in der Ukraine und deren unfassbares Leid verachtenden Artikel.
    Ich distanziere mich vom Inhalt und missbillige diese wiederholte Eigenmächtigkeit des ehemaligen Redaktionsmitarbeiters Manuel Zimmermann, der zudem noch zu feige ist, seinen Namen anzugeben.

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