Über Treuhänder – wegen Ihrer und unserer Sache

Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (Foto: Spiegel.de)

Sie sind, sehr geehrte Leserinnen und Leser, nicht nur an Ihren privaten sondern auch an allgemein-politischen oder gesellschaftlichen Angelegenheiten interessiert. Darum haben Sie ja gerade diese Plattform aufgeschlagen. Vielleicht sind Sie auch Leser der WLZ und haben festgestellt, dass dort seit einiger Zeit viele unterschiedliche Artikel zu Wildunger Themen erschienen sind, die auch bei uns interessant wären aber nicht zu finden waren.

Sollte sich bei Ihnen die Frage gebildet haben, woran das liegen könnte, hier ist die Antwort: Auf Vorschlag von Bürgermeister Ralf Gutheil hat der Magistrat beschlossen, uns keine städtischen Pressemitteilungen zukommen zu lassen.

Über Gründe kann man rätseln. Denn unser letzter Beitrag „Neues aus dem Rathaus“ erschien am 20. August 2020. Zugegeben: Im Gegensatz zur WLZ haben wir das Stadtoberhaupt gelegentlich nicht nur samtpfotig sondern auch kritisch kommentiert. Die Behandlung der Probleme Kurhaus und Herkules-Verlagerung bzw. Stadtentwicklung sind dafür exemplarisch.

In Kommentaren kommen natürlich Meinungen zur Sprache, auch in provozierenden Leserbriefen mit teils polemischen Behauptungen. So können Diskussionen angestoßen und Widersprüche geklärt werden. Das ist der Sinn der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht schon über 300 Beschlüsse gefasst und sogar quasi ein 1 x 1 der Meinungsfreiheit vorgelegt:

Oder

Wer verträgt nun die öffentliche Meinungsfreiheit nicht? Da muss man nicht nur nach Russland, China oder Ungarn schauen. Alle Autokraten, auch manche demokratisch gewählte Amtsträger scheuen und unterbinden freie Meinungsäußerungen, sie möchten ihre Machtausübung nicht kritisiert oder gar in Frage gestellt haben.

Gehört Bürgermeister Ralf Gutheil etwa dazu? Mit diesen Worten begründete er gegenüber einem unserer Redaktionsmitglieder die Informationssperre damit, wir würden keinen investigativen Journalismus praktizieren. „…Hinzu kommt, dass auf der Seite (Wildungen-digital, red.) gegen ausfallende, beleidigende und falsche Kommentare nichts unternommen wird.“

Meinungsfreiheit ist also Pfui. Drum wünscht er Ruhe im Karton. Störenfriede sind – wie bei Autokraten – unerwünscht.

Aber:

„Das soll der Journalist tun: Informieren, kritisieren und Meinungen bilden – im Auftrag der Bürger, die alle Informationen benötigen, um den Mächtigen auf die Finger zu schauen und bei Wahlen die richtige Entscheidung treffen zu können. Der Journalist ist von der Verfassung eingesetzt als Treuhänder des Bürgers und nicht der Politiker.“ Aus: Handbuch des Journalismus (Wolf Schneider/ Paul-Josef Raue)

Sind sie demokratisch gewählten Repräsentanten des Volkes als Amtsinhaber nicht ebenfalls dessen Treuhänder?

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