Wohnungen oder Konsumtempel?

Herkules-Supermarkt oder: Was wird aus der ehemaligen Molkerei an der Itzelstraße? (Foto: M. Zimmermann/Archiv)

Diese Pressemeldung der Fraktion DIE LINKE im Stadtparlament Bad Wildungen erreichte uns gestern:

Mehr Umsatz für Edekas Herkules Gruppe ist dem Parlament wichtiger als Wohnungen

Die LINKE hat in der September-Sitzung des Wildunger Stadtparlaments gefordert, die Industriebrache in der Itzelstraße planungsrechtlich als Fläche für Wohnungsbau auszuweisen. Zur Zeit ist auf dieser Fläche noch Gewerbegebiet. Durch dieses Baurecht könnte in der Stadt eine große Fläche für Wohnungsbau gewonnen werden, besonders geeignet auch für die Geldbeutel von Menschen mit normalen oder kleineren Einkommen.

Dieser Antrag wurde von den anderen Parteien im Parlament abgelehnt.

Als Begründung gab es zu hören „es gibt in Bad Wildungen keinen Wohnungsnotstand“ und „die Mieten sind zu gering um zu sanieren oder zu bauen“ von der Seite der CDU. Die meisten weiteren Einwände bezogen sich darauf, dass dieses Gelände durch Edeka/Herkules gekauft wurde, und man es daher ja zur Einzelhandelsfläche machen müsse. Das halten wir für eine eigenartige Rechtsauffassung zugunsten des Edeka Konzerns.

Hierzu sagt Regina Preysing: „Zunächst einmal kann man nicht erst anfangen, neue Wohnungen zu bauen, wenn ein Notstand zu sehen ist, den man ja auch nicht daran erkennt, dass die Menschen auf der Straße leben. Wohnungsmangel ist bereits, dass nur vereinzelt Mietwohnungen angeboten werden. Viele Wohnungen sind außerdem in einem schlechten baulichen Zustand, eben weil wenig saniert wird. Das hat auch damit zu tun, dass einige Besitzer lieber die Mieteinnahmen behalten, anstatt sie in die Wohnungen zu investieren. Dass das funktioniert, liegt an einem Mangel an Wohnungen, denn sonst würden sich für solche Wohnungen keine Mieter finden.“

Die Situation ist auch nicht einfach: viele Einwohner Bad Wildungens haben nur geringe Einkommen – Arbeit in Krankenhäusern und Hotels oder der Gastronomie ist nicht gut genug bezahlt, um hohe Mieten zu zahlen. Auch Rente oder Teilzeit-Jobs geben nicht viel her. Die aktuell hohen Preise für Grundstücke und Häuser sowie die gestiegenen Kosten für Baumaterial wirken dem Bau günstiger Mietwohnungen entgegen.

Als mögliche Lösung meint Frau Preysing: „Hier muss die Stadt handeln – sie sollte selbst als Bauherrin auftreten, und mindestens 50 bis 100 neue Wohnungen bauen. Diese werden nicht nur für neue Einwohner und Einwohnerinnen gebraucht – für die Sanierung der Altstadt-Häuser zum Beispiel müssen deren Bewohner umziehen können. Der Druck auf bestehende Wohnungen würde geringer, und Menschen könnten aus schlechteren, zu großen oder zu kleinen Wohnverhältnissen ausziehen.“ Die Stadt sei nicht auf Rendite angewiesen und könnte daher die Mieten trotz höherer Baukosten geringer halten als private Hausbesitzer.

Ein wenig emotional fügt sie hinzu: „Es gehört eine Menge Ignoranz dazu, diese bestehende Wohnungsnot als Stadtverordnete jahrelang nicht zu erkennen. Aber es paßt zu der Haltung, dass die individuelle Freiheit der zahlungsfähigen Konsumenten wichtiger ist als der Wunsch der weniger Zahlungskräftigen nach ordentlichem Wohnraum zu bezahlbaren Mieten.“

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