Ukraine-Solidaritätskundgebung: Die drei Hauptredner (Teil 2)

Nachfolgend dokumentiert die Redaktion eine leicht gekürzte Version der Rede von Bürgermeister Ralf Gutheil vom 2. März 2022 auf dem „Postplatz“ in Bad Wildungen.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

die Nachrichten der letzten Tage haben uns alle fassungslos gemacht. Niemand von uns hätte gedacht, dass der Wahnsinn des Krieges so schnell eskalieren würde, und das fast vor unserer Haustür. Ein geflügelter Spruch der Friedensbewegung aus den 1980er Jahren lautete „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Die Antwort war so einfach wie erschreckend: „Dann kommt der Krieg zu uns.“ Wenn man jetzt noch betrachtet, dass dieser Spruch von Carl Sandburg bereits 1936 geprägt wurde, kann man nur entsetzt sein. Haben wir uns nicht immer als zivilisiert bezeichnet? Als Weltbürger? Sind die Menschen nicht erst vor kurzem gegen Unterdrückung und Diskriminierung auf die Straße gegangen und haben damit weltweit Aufmerksamkeit erlangt? Haben wir schon vergessen, was unsere Eltern und Großeltern aus dem Zweiten Weltkrieg zu berichten hatten?

(…)

Kritiker sagen „Was regt ihr euch denn auf, täglich finden irgendwo Kriege statt“. Die Ukraine ist doch weit weg. Ist sie das wirklich? Nein! Besonders nah sind uns die Menschen dort, die gerade angegriffen, verletzt oder gar getötet werden, die ihre Heimat verlassen müssen. Väter, Brüder, Söhne müssen in den Krieg ziehen, da sie das Land verteidigen wollen, in dem sie geboren wurden. Das Land, das sie lieben und in dem sie ihre Kinder aufwachsen sehen wollen. All diese Menschen wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Ob sie jemals wieder nach Hause zurückkehren können, diesen ganzen Wahnsinn überleben. Die Menschen verstecken sich in Luftschutzbunkern und Kellern, müssen um ihr Leben bangen. Vielen älteren Menschen unter uns sind diese Erlebnisse noch gegenwärtig und sie werden auf brutale Weise an eine Zeit erinnert, die sie als überstanden glaubten.

Was werden wir tun? Was können wir tun? Auf politischer Ebene hilft nur Solidarität mit der Ukraine und eine harte Linie gegenüber Putin. Vielleicht führt das noch zu einer Reaktion, die den Aggressor zu Verhandlungen zwingt. Wir müssen in Europa zusammen mit den USA zur Ukraine stehen, um den Angreifer zum Einlenken zu bringen. Eine breite Partnerschaft und gute Beziehungen zu den daran beteiligten Ländern sind dafür unabdingbar.

Was können wir vor Ort tun? Wir können uns solidarisch erklären, symbolisch und mit Taten. Ein Anfang haben wir gerade gemacht, indem wir uns hier gemeinsam versammelt haben, um ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der Ukraine zu setzen. Es steht zu befürchten, dass in den nächsten Wochen und Monaten zahllose Menschen vor Krieg, Elend und Tod flüchten. Diese Menschen brauchen unsere Hilfe, wenn sie bei uns eintreffen. Materielle Hilfe, aber auch seelischen Beistand und das Gefühl, angenommen zu werden und endlich in Sicherheit zu sein. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es diesen Menschen geht, die mit Sicherheit geliebte Familienangehörige zurücklassen mussten.

Aber wir können noch mehr tun. Wir können nämlich unseren gesunden Menschenverstand gebrauchen und nicht in alte Muster zurückfallen, von denen uns die Geschichte gelehrt hat, dass sie nur in weiterem Hass und weiterer Gewalt enden. Ich spreche hier von unseren Mitbürgern, die aus Russland kommen oder russische Wurzeln haben. Wenn man in den Nachrichten liest, dass dazu aufgerufen wird, diese Menschen auszugrenzen, dass sie teilweise bereits beschimpft, bespuckt und bedroht werden, dann packen mich Entsetzen und Abscheu. Denken Sie an den Beginn meiner Rede: Erst vor kurzem sind Tausende von Menschen gegen Unterdrückung und Diskriminierung auf die Straße gegangen. Und auch in Russland gehen mehr und mehr Menschen gegen diese Politik des Wahnsinns auf die Straße. Zum großen Teil unter Gefahr für ihr eigenes Wohl. Denn viele Menschen dort werden brutal zusammengeschlagen und verhaftet, wenn sie gegen Putins Wahnsinn aufbegehren.

Daher möchte ich Sie hier und jetzt von Herzen bitten: Lassen Sie uns alle gemeinsam unsere Solidarität und unsere Menschlichkeit zum Ausdruck bringen und damit ein klares Signal senden. Wir sind solidarisch mit der Ukraine. Wir lehnen die kriegerischen Aggressionen Wladimir Putins ab. Und wir werden unseren Teil dazu beitragen, die Menschen zu schützen und zu unterstützen, die durch diesen Krieg auf unsere Hilfe angewiesen sind. Diese Menschen sind nicht allein.

Ralf Gutheil

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