Hinweis: Infos über denAutor und sein Werk finden Sie in Folge 2!
In einem verlassenen Fort an der Atlantikküste Maines sind Kit Carson und Washakie bei ihrem alten Freund Norman Schutzbier zu Gast. Dieser beschwört zunächst in Washakie Erinnerungen an die Vergangenheit herauf. Danach ist Kit Carson an der Reihe. Seine Gedanken kehren in eine Zeit zurück, in der er einen Treck nach Westen führte, an dem auch das junge Halbblut Adaline teilnahm. Unterwegs werden sie von Kriegern der Cheyenne angegriffen, doch eine Armee-Einheit rettet sie im letzten Moment.
An Menschen, die einem am meisten bedeuteten, war Kit Carson bewusst, zeigten sich eigene Fehler und Unzulänglichkeiten am deutlichsten, am schmerzhaftesten, am unwiderruflichsten.
Am unwiderruflichsten …
Nur bruchstücksweise wurde sich Kit Carson erneut seiner gegenwärtigen Umgebung bewusst. Durch die Fenster der Festung drangen die Laute von Meeressäugetieren an sein Ohr, die er nicht einordnen konnte. Der nächtliche kreisrunde Raum um ihn schien verschwommen, aromengetränkt, nicht von dieser Welt.
„Es war nicht alles, Kit“, hörte er wie in Trance des Stimme des alten Freundes Norman Schutzbier. „Es gibt noch mehr zu sehen.“
*
Eine gewaltige Nebelwolke trieb in rasender Schnelle aus der Ferne über das Meer an Land. Sie schien geradezu in den Himmel zu wachsen.
Kit sah eine hochgewachsene, sehnige Frauengestalt mit wehendem schwarzen Haar am Ufer entlang auf ihn zulaufen.
Wie kam Adaline dazu, das Kleid einer Schamanin zu tragen?
Schon war sie heran. Älter geworden war sie. Älter, als er sie jemals gesehen hatte.
Sie umarmte ihn mit einer Inbrunst, die ihn erschreckte. Fast unbeholfen schlang auch er seine Arme um sie.
„Du hast mir so sehr gefehlt“, hauchte Prärieblume. „Die Männer – beide – waren schrecklich. Ich musste … weg.“
Dann stieß sie ihn heftig von sich.
„Wo warst du, als ich dich brauchte?“
Sie rannte einige Schritte, wandte sich noch einmal um.
„Du kannst nichts dafür. Du bist, wie du bist. Lass auch mich sein, wie ich will.“
Sie entfernte sich rasch, doch mit gemessenen Schritten, folgte dem Ufer des Meeres.
Die gigantische Nebelwolke verschlang Adaline vor Kits Blicken. Weit entfernt glaubte er noch eine steinerne Festung am Ufer erkannt zu haben, bevor die Nebelwand auch sie verschluckte.
*
Noch immer glommen die Kohlen unter der metallenen Schale in der Mitte des runden Raumes, doch ihr feuriger Glanz war schwächer geworden. Lautlos war Durwan eingetreten, der uralte Indianer vom Stamm der Passamaquoddy. Anstatt das Feuer erneut anzufachen, hing er die Schale in der Mitte des metallenen Gestells tiefer, goss die Kräuter dafür erneut mit sehr heißem Wasser auf.
Kits Geist schien aus unergründlichen Tiefen emporzusteigen. Nur langsam nahm vor seinen Augen die nächtliche Tischrunde erneut Gestalt an. Die zweite Erscheinung war ungleich kürzer gewesen als die erste, doch von einer weitaus größeren Intensität.
Washakie blickte ihn aus klaren Augen an. Das Gesicht des greisen Schoschonenhäuptlings schien wie gemeißelt.
Simmons‘ Kopf war auf seine Unterarme gesunken, die er auf dem Tisch gekreuzt hatte.
„Ist er eingeschlafen?“ raunte Kit.
„Dort, wo er sich befindet, ist er wach“, erwiderte Norman Schutzbier.