70 Jahre Grundgesetz – 187 Jahre Schwarz–Rot–Gold

Stolz auf die schwarz-rot-goldene Fahne mit ihrer Geschichte ist berechtigt.

Die original Fahne von 1832, die auf dem Bergfried des Schlosses geschwungen, sodann vor der Obrigkeit versteckt und später wiedergefunden wurde. (Foto: Stiftung Hambacher Schloss)

Ja, sieben Jahrzehnte schon „GG“ und seine Errungenschaften gilt es zu feiern! Fast alle Medien berichten von würdevollen Ansprachen. Auch wir feiern mit und erinnern daran, dass bis dahin viele Menschen für die Freiheits- und Menschenrechte hartnäckig gekämpft und auch ihr Leben eingesetzt haben.

Blenden wir darum zurück ins 19. Jahrhundert. Ort des Geschehens ist Hambach in Rheinland-Pfalz auf dem Schloss, dort finden wir sie heute, wohlbehütet, hinter Sicherheitsglas, die Ur-Fahne der Deutschen in den Farben Schwarz-Rot-Gold. Die erste „deutsche Fahne“, das Symbol der Demokratiebewegung in Deutschland.

Wer das „Hambacher Schloss“ in Rheinland Pfalz nahe der französischen Grenze besucht, kann das Original in den Farben Schwarz-Rot-Gold bewundern.

Mitglieder des „Deutschen Preß- und Vaterlandvereins“ („Preß“ = altdeutsch, steht hier für Presse und die damit verbundene Pressefreiheit; Mitbegründer war Johann Georg August Wirth), luden vom 27. Mai bis zum 1. Juni 1832 zu einem Maifest auf das Hambacher Schloss ein, um gemeinsam die nationale Einheit und Freiheitsrechte zu fordern. Man bedenke: „Deutschland“ war zu diesem Zeitpunkt in sehr viele Kleinstaaten, unter absolutistischer monarchischer Herrschaft, aufgeteilt.

Der Zug zum Hambacher Schloss. Die teilkolorierte Federzeichnung von 1832 zeigt u. a. Fahnen in Farbreihung Schwarz-Rot-Gold (von unten zu lesen, Quelle: Wikipedia).

Zu diesem Fest kamen etwa 30 000 Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Gemeinsam marschierten sie mit einem mit schwarz/rot/goldenen Flaggen geschmücktem Festzug zum Hambacher Schloss. Bei den anschließenden Reden ging es um politische Reformen, nationale Einheit, um Presse- und Versammlungsfreiheit. Einige forderten die konstitutionelle Monarchie, wie man sie heutzutage in den Niederlanden, Norwegen, England findet. Wieder andere plädierten für die Demokratie. Nach dem Fest wurden einige der Redner von der Polizei verfolgt, gefangen und gequält. Mehrere kamen beim Einsatz des Bayrischen Miltärs zu Tode.

Auf dem Weg unserer wechselvollen Geschichte von der Monarchie über die Weimarer Republik zum Nationalsozialismus, über zwei getrennte deutsche Staaten und nun zum wiedervereinigten Deutschland gab es unterschiedliche Fahnen und Flaggen. Natürlich hat diese wechselvolle Zeit unser Verhältnis und das Bekenntnis zur Fahne und unserem Land beeinflusst und unsere Einstellung zur Demokratie in der jeweiligen Epoche geprägt.

Unsere deutsche Geschichte, gekennzeichnet von Kriegen, Revolution, Restauration, Totalitarismus und Reform-Versuchen zeigt uns, dass das Ringen um Demokratie und deren Reformen ein andauernder, nie endender Prozess ist. In 70 Jahren hat sich das Grundgesetz bewährt. Ein Ausruhen auf Bestehendem wurde von den Gründungsvätern und -müttern ausdrücklich nicht vorgesehen. Demokratie lebt von Kommunikation, von Kompromissen, von der Neujustierung und der Berücksichtigung sich verändernder gesellschaftlicher Verhältnisse.

Das ist auch das Thema des heutigen Tages, welches der freie Autor Peter Fritschi in einem Interview mit dem Redakteur von „Wildungen digital“ Manuel Zimmermann beispielhaft erörtern will. (Red.)

Democracy is the worst form of government except for all those others that have been tried.“
„Demokratie ist die schlechteste Form von Regierung, mit Ausnahme all der anderen, die ausprobiert wurden.“ Ein Zitat, das Winston Churchill zugeschrieben wird.
Herr Zimmermann, können Sie diese Aussage unterschreiben?

Das könnte ich so nicht unterschreiben. Schließlich bedeutet das englische Wort Government außer „Regierung“ und „Regierungsform“ auch „Verwaltung“ und „Herrschaft“. Demokratie verstehen wir doch von der Idee her heutzutage nicht nur als formale Staatsform, in der lediglich alle paar Jahre auf einem Wahlzettel Kreuzchen gemacht werden dürfen. Zwar verspricht der Begriff nach seinem griechischen Ursprung die Herrschaft des Volkes, aber diese abendländische Erfindung galt schon damals für eine – nur rein männliche, gebildete und vermögende – Elite.

Insofern ist Churchills durchaus kritische Sicht in dem Statement allerdings interessant! Zitierte doch Johannes Agnoli 1969 in dem Buch Transformationen der Demokratie den Philosophen Hegel, demnach das Volk nicht in der Lage sei, sich selbst zu regieren. Nach meiner Erinnerung stellt Agnoli fest, dass zwar alle Staatsgewalt formal vom Volke ausgehe, die öffentlich-rechtliche Gewaltanwendung durch Eliten ergebe sich aber aus der Zustimmung des Volkes. Das begründet wahrscheinlich auch Churchills relativierenden Optimismus.

Herr Zimmermann, bei unserem ersten Zusammentreffen erklärten Sie mir, dass Sie de facto ein „Alt-68-er“ sind. Wieviel von 1968 ist bei Ihnen heute noch wirksam und welchen Stellenwert für Ihr politisches Engagement hat der heutige Tag „70 Jahre Grundgesetz“ für Sie?

Wir wurden ja alle dumm geboren und sollen doch dann als mündige Bürgerinnen und Bürger politische Verantwortung übernehmen. Nach kritischen Wahlergebnissen heißt es immer wieder „Die Wähler haben es so gewollt!“. Damit wir uns alle auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereiten können, gibt es im Grundgesetz, das ja jetzt 70-jähriges Jubiläum feiert, die Informations- und Pressefreiheit. Und die Meinungsfreiheit. Es geht im demokratischen Alltag also immer und auf allen Ebenen um wechselseitige Information und Kommunikation. Die wachsame Presse gilt zu Recht als vierte Staatsgewalt. Das war für mich als Lehrer für Sozialkunde stets ein fächerübergreifendes Thema. Und eine Ebene ist halt dort, wo ich lebe. Da kann ich mich daheim nicht zurücklehnen und zuschauen, was politisch so abläuft.

Herr Zimmermann, „Die Macht des Wortes“ heißt ein Buch von Manfred Schauer. Es beginnt mit den Worten „Wörter haben Macht! Sie können motivieren, überzeugen, bewegen oder beruhigen. Das Wort und seine Wirkung auf die Mitmenschen begleitet uns überall: im Gespräch, bei Verhandlungen, beim Verfassen von Briefen oder E-Mails. Besonders bei den neuen Kommunikationstechnologien, wo es keine direkte Reaktion des ,Gegenübers‘ gibt, steht und fällt alles mit den richtigen Wörtern.“ Ist diese Erkenntnis Ansporn und Motiv Ihres Tuns?

Sprache fasziniert mich seit jeher. Schon in meinem ersten Semester habe ich für Studenten-Zeitungen geschrieben, war bald darauf Studentenparlamentarier und mehrfacher -funktionär, übernahm erwartungsvoll Ämter in Gewerkschaft und SPD, trat bei der aber wegen des Radikalenerlasses enttäuscht aus. Als Pressesprecher von zuletzt 31 BIs gegen die 1981/82 geplante WAA bei Frankenberg-Wangershausen wurde mir bestätigt, wie wichtig der richtige Begriff und die optimale Information der Betroffenen für den Erfolg ist. Bei den GRÜNEN hab ich’s dann probiert, aber Postengerangel wurde mit Kompetenzstreitigkeiten kaschiert. Als langjähriger freier Mitarbeiter der HNA habe ich in meinen Berichten möglichst das gesellschaftliche Engagement durchscheinen lassen. Und nun bin ich bei unserem Verein für Meinungs- und Informationsvielfalt e.V. Redakteur für Wildungen-digital und kann Informationen aller Art, Leserbriefe und Kommentare unverfälscht verbreiten. Ein kleiner Beitrag also für eine große Idee.

Herr Zimmermann, der demokratische Findungsprozess kann sich bis zu einer guten, für alle Beteiligten akzeptablen Entscheidung erfahrungsgemäß lange hinziehen. Aber ist das langwierige Ringen um eine vernünftige Lösung nicht gerade Ausdruck einer demokratischen Meinungsbildung. Demokratie ist nun mal langsam. Wer schnelle Entscheidungen möchte sollte doch besser ganz links oder ganz rechts beim Wählen sein Kreuzchen machen. Was meinen Sie dazu? Wenn ja, haben Sie für diese Behauptung ein Beispiel?

NEIN – Extreme und Autokraten bieten oft einfache Lösungen an, das können aber auch Demokraten. Und JA – Entscheidungen dauern in einer Demokratie manchmal sehr lange. Da muss auch schon mal ein Beschluss vertagt werden, wie jüngst im Edertaler Gemeinde-Parlament bei der Frage der kommunalen Waldbewirtschaftung, obwohl „dringender Handlungsbedarf“ bestehe, wie der Bürgermeister sagte. Eine verschobene Entscheidung ist eben besser als eine verkorkste schnelle, bei der dann die unberücksichtigten Folgen zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Von solchen Entscheidungen haben wir ja zwei prominente Beispiele. Beide Male entschied Kanzlerin Merkel: Beim Atomausstiegs-Beschluss nach Fukushima 2011, weil in Baden-Württemberg die CDU eine Woche später ihre Mehrheit an die GRÜNEN verlor, und beim Verlust über die Kontrolle der deutschen Grenzen, als 2015 etwa eine Million Flüchtlinge über Ungarn und Österreich kamen. Schnelle Entscheidungen sind gelegentlich nötig, aber sie müssen demokratisch und rechtsstaatlich abgesichert sein.

Herr Zimmermann, ich bedanke mich für dieses Gespräch.

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1 Kommentar

  1. Wenn ich mich zurückerinnere an den dürftigen „Staatsbürgerunterricht“ und das vergleiche mit der Bedeutung des Grundgesetzes durch die Rechtsprechung des BVerfG, so kommt es mir so vor, als habe masn nicht das Grundgesetz Moses 10 Geboten nach einer Karikatur hinterhergeworfen, sondern die 10 Gebote dem Grundgesetz, damit hier ihre Bedeutung erst auffällt und umgesetzt wird.

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