Demo auf der Sperrmauer gegen Mastanlage

gegen die in Waldeck geplante Hähnchenmastanlage

Es kamen Mehr Menschen als erwartet. Fotos: Manfred Zinke

 

 

 

 

 

 

Vorsichtig geschätzt kamen am Sonntag, dem 2. September 2018, etwa 400 Menschen zur Demonstration gegen die in Waldeck geplante Hähnchenmastanlage auf die Sperrmauer der Edertalsperre, zu der die Bürgerinitiative (BI) Pro Waldeck aufgerufen hatte. Außer direkt betroffenen und engagierten Einwohnern aus Waldeck waren auch viele Unterstützer aus Nordhessen angereist, die sich beispielsweise in der Aktionsgemeinschaft pro Agrarwende Nordhessen (AGA) zusammengeschlossen haben.
Sowohl auf den Plakaten als auch in den Ansprachen der abschließenden Kundgebung wurden grundsätzliche Probleme der Landwirtschaft, des Fleischkonsums, der Massentierhaltung und Marktwirtschaft deutlich.
Hauptredner Andreas Grede von der AGA sagte zu Beginn der auf die Menschenkette folgenden Kundgebung:

„Meine Damen und Herren, liebe Freunde und Unterstützerinnen,
wir sind heute hier, um ein Zeichen zu setzen. Gegen Massentierhaltung, gegen die Ignoranz für die Bedürfnisse der Menschen und der Natur. Für unsere Menschenkette hatten wir 100 Leute angemeldet, wir hatten zwischen 50 und 150 Menschen erwartet, also den Mittelwert genommen. Nun sind es über 400 große und kleine Menschen geworden, und AUCH DAS IST EIN ZEICHEN.
Wir wollen keine Tierfabriken – das ist eine klare Ansage. Wer einmal wirklich hingeguckt hat in so eine Mastanlage, und jeder, der einen Fernseher hat oder erst recht Internet, kann es sehen, dem wird der Appetit auf Billigfleisch aus dem Supermarkt vergangen sein. Hier in Waldeck sind die Zahlen mittlerweile bekannt: 39 kg Schlachtgewicht dürfen auf einem Quadratmeter Boden stehen, das sind etwa 20 Hähnchen auf der Größe einer Duschwanne. Das wird von Lobbyisten gerne als „moderne Intensivtierhaltung“ verniedlicht.
Alles Städter, Innenstadt-Ökos, hört man dann gerne von diesen Lobbyisten, denen es um nichts anderes als ihren kurzfristigen Profit geht. Tierleid, Mensch, Natur, alles egal.
Aber es läuft nicht mehr ganz so rund für diese Damen und Herren der Agrarindustrie. Heimlich, still und leise, so wurden gerne die Mastanlagen geplant in der Vergangenheit. Man kennt sich, man schätzt sich, man schützt sich.
Aber unser Slogan hat eine zweite Zeile:
Wir wollen keine Tierfabriken weil wir in die Zukunft blicken!

Und die Zukunft wird ganz sicher heißen: Weniger Fleisch! Natürlich heißt es, die Leute gucken eh nur aufs Geld, Hauptsache viel und billig. Aber ist das wirklich so? Wir haben ihn doch gerade erlebt, den Dürresommer mit den traurigen Rekordwerten. Überall auf der Welt gibt es Beispiele, was passiert, wenn der Mensch die Natur gnadenlos ausbeutet. In Südindien, in Kerala, sind hunderttausende Menschen existenzbedroht wegen Überschwemmungen. Hier wurde ohne Rücksicht Raubbau an der Natur betrieben, und dies sind nun die Folgen. Wir können aber auch in Deutschland bleiben, zum Beispiel auf der Ferieninsel Fehmarn. Hier droht die Überspülung durch den gestiegenen Meerwasserspiegel.

Und was hat das alles mit einer Hähnchenmastanlage in Waldeck zu tun?

Auf den zweiten Blick eine ganze Menge. Allzu gerne betrachten wir die Dinge isoliert. Ein Massentierstall. Was macht das schon? Aber es sind ja viele. Leider auch in Nordhessen. Denn der Geflügelschlachthof in Gudensberg bei Kassel hat seine Kapazitäten nochmals erweitert und tötet nun über 36 Mill. Tiere pro Jahr. Und woher kommt das Futter für diese Tiere? Richtig, es wird aus Lateinamerika importiert. Und dort verschwindet PRO MINUTE Regenwald von einer Fläche von 35 Fußballfeldern, das sind 13 Millionen Hektar pro Jahr und entspricht der Größe Griechenlands. Damit Tierfutter für Europa angebaut werden kann. Unter fast schon sklavenartigen Bedingungen sind dort die Landarbeiter extremen Agrargiften beim Anbau ausgesetzt. Alles egal. Hauptsache viel Ertrag, Hauptsache Profit, Hauptsache billig.
Und so kann dann das Kilo Hähnchenschenkel für 1,66 Euro auf dem 2.000-Euro-Grill landen. Hauptsache billig das Fleisch. Und da hier in der Regel nur Brustfleisch und Schenkel gegessen werden, wird der Rest eben nach Afrika verschifft und macht dort die lokalen Strukturen kaputt. Auch ein Aspekt zum Thema „Fluchtursachen bekämpfen.“

Ist da nur der Verbraucher schuld?

Nein! An dieser Stelle sehen wir deutlich das Versagen der Politik, deren Ministerien zu einem verlängerten Arm der industriellen Agrarlobby verkommen sind. Freie Marktwirtschaft heißt es. Komisch nur, dass Jahr für Jahr viele Milliarden Euro Subventionen in diesen Sektor fließen. Der Deutsche Bauernverband, der hier in Waldeck auch den Investor Herrn S. massiv unterstützt, redet von Weltmärkten. Noch mehr Hähnchen, noch billiger, und wenn nichts mehr geht, geht es eben in den Export.
Gerne wird ja auch über den Welthunger wegen der wachsenden Weltbevölkerung fantasiert. Heute vor 14 Tagen u.a. von der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Dabei ist eines ganz sicher: Massentierhaltung lindert nicht den Welthunger, es produziert ihn sogar. Ich zitiere da mal einen Herrn, der es wissen muss. Jean Ziegler, heute 84 Jahre alt, war UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung „Die heutige Landwirtschaft könnte problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren – also fast das doppelte der aktuellen Weltbevölkerung.“ Warum? Ganz einfach: wertvolle proteinhaltige Nahrungsmittel werden in Massen an Tiere verfüttert. 75 % des in Deutschland verwendeten Tierfutters kommen nicht aus Europa.

Schauen wir nochmal hierher.

Während in Nordhessen also Geflügelfleisch auch für den Export produziert wird, bleiben die Belastungen für Tier, Mensch und Natur dann hier. Und werden eines Tages, wenn das überhaupt geht, auf Kosten der Allgemeinheit beseitigt. Wenn das überhaupt geht. Die Nitratbelastung im Wasser steigt ständig, die Klimabelastung durch Massentierhaltung ist längst wissenschaftlich belegt. Und: multiresistente Keime aus der Massentierhaltung bedrohen die Menschen, weit über 30.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland an den Folgen dieser Keime, die längst besiegte Krankheiten wie eine Lungenentzündung plötzlich wieder unheilbar und tödlich machen können. 30.000 Menschen, das sind zehnmal so viele wie bei Verkehrsunfällen sterben. Und noch eine letzte Zahl: Es ist ja der Einsatz von Antibiotika, der die Bildung dieser Keime verursacht. Und 85% aller verkauften Antibiotika in Deutschland landen in der Tiermedizin.
Meine Damen und Herren, die meisten von Ihnen sind von hier. Ich brauche Ihnen nichts zu erzählen über die Besonderheit der Gegend, das Weltnaturerbe, das FFH-Gebiet.
Waldeck und die Edersee-Region sind eine der besonders schönen Ferienregionen in Hessen und auch in Deutschland. Viele von Ihnen leben direkt oder indirekt vom Tourismus. Der Magistrat der Stadt Waldeck hat das erkannt und sich einstimmig gegen die Mastanlage ausgesprochen. Leider gibt es vereinzelt Menschen und auch Lokalpolitiker, die offenbar glauben, man könne alles machen und dürfe sich dabei nur nicht dabei erwischen lassen. Diese behaupten dann allen Ernstes, das Problem sei nicht die Mastanlage sondern die Bürgerinitiative, die auf Missstände und Gefahren aufmerksam macht. Die für den Erhalt der Natur vor ihren Toren kämpft. Ich erspare es Ihnen und mir, ein solches Verhalten weiter zu kommentieren.

Aber lassen wir uns von solchen Nebelkerzenwerfern nicht abhalten. Ende Oktober ist bekanntlich Landtagswahl in Hessen. Vielleicht denken Sie daran, welche Parteien und welche Politiker sich einsetzen für Umwelt, Natur und Tierschutz…
Wie geht es nun weiter? Wir haben heute ein Zeichen gesetzt mit unserer Menschenkette. Das ist gut und wichtig, denn nur auf Facebook zu liken ist nicht genug. Der Widerstand geht weiter – und ein Stück weit geht er jetzt richtig los.

Die Bürgerinitiative ProWaldeck ruft Sie auf, eine schriftliche Einwendung gegen die Mastanlage beim Regierungspräsidium Kassel zu machen. Die Frist gilt noch bis Freitag, 7. September, es ist also noch nicht zu spät. Informieren Sie sich hier am Stand.
Es wird eine öffentliche Anhörung im Regierungspräsidium Kassel geben am 18. Oktober. Bitte halten Sie sich auf dem Laufenden über die Websites www.prowaldeck.de und www.aga-nordhessen.de

Und ein allerletzter Hinweis: Das Engagement der Waldecker Bürgerinitiative verdient Respekt und Lob. Viele haben jetzt schon bis an die Belastungsgrenze ehrenamtlich gearbeitet. Nun muss auch juristisch aufgerüstet werden. Ein Gerichtsverfahren aber kostet Geld, und das nicht wenig. Deshalb startet die BI Waldeck heute eine besondere Aktion:

Am Infostand können Sie eine Erklärung unterschreiben, dass Sie sich mit dem Betrag X im Falle eines Gerichtsverfahrens an den Kosten beteiligen. Den Spendenbetrag bestimmen Sie natürlich selbst. Das ist eine sehr faire und praktikable Lösung. Konkret: Kommt es zum Verfahren, zahlen Sie Ihren Spendenbetrag. Wenn nicht, ist diese Erklärung gegenstandslos.
Im Namen der Aktionsgemeinschaft Agrarwende Nordhessen wünsche ich der BI Waldeck und allen Bürgerinnen und Bürgern weiterhin viel Mut und schließlich Erfolg beim Widerstand gegen dieses Wahnsinnsprojekt und sage danke für Ihr Kommen und Ihre Aufmerksamkeit.“

Die Mitglieder der BI freuen sich darüber, dass an diesem Tag auch viele neue Einwendungen unterschrieben wurden, weil diese Möglichkeit am kommenden Freitag endet; und sie sind stolz, dass diese großartige Demonstration so friedlich und ohne Anfeindungen gegenüber dem Antragsteller verlaufen ist.

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