Bürgermeisterwechsel – die Rede des Stadtverordnetenvorstehers

Dr. Edgar Schmal

Ein besonderer Moment: Der bisherige Bürgermeister Volker Zimmermann (links) mit Ehefrau Gabriele, Katharina Gutheil mit Ehemann Ralf, dem neuen Bürgermeister, der schon die Amtskette trägt, und Stadtverordnetenvorsteher Dr. Edgar Schmal. (Foto: nh)

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, am vergangenen Montag vollzog sich in der Badestadt ein Epochenwechsel. In der Stadtverordnetenversammlung wurde im vollen Saal der Wandelhalle Bad Wildungens bisheriger Bürgermeister Volker Zimmermann verabschiedet, danach der neue Bürgermeister Ralf Gutheil vereidigt, der sodann die Amtskette erhielt.

Die Redaktion freut sich, Ihnen den Wortlaut der durch regen Applaus gewürdigten, sehr interessanten Rede des Stadtverordnetenvorstehers Dr. Edgar Schmal zur Verabschiedung bieten zu können.

„Meine Damen und Herren,
als Herr Volker Zimmermann im Jahre 2006 zum Bürgermeister von Bad Wildungen gewählt wurde, war das eine Überraschung. Und als er im März dieses Jahres nicht wieder gewählt wurde, war das ebenso eine Überraschung, auch wenn angesichts der großen Zahl von 6 Kandidatinnen und Kandidaten es schwer einzuschätzen war, wer in die Stichwahl kommt und wer dort gewinnt.
Zu der Verabschiedung eines Bürgermeisters gehört es, auf die kommunalpolitischen Schwerpunkte seiner Amtszeit einzugehen, also auf die vergangenen zwölf Jahre. Herr Zimmermann hat seine Haushaltsreden immer mit einem Zitat begonnen. Und diesen Ansatz möchte auch ich heute wählen. Seine letzte Haushaltsrede Anfang dieses Monats hat er mit einem Zitat des österreichischen Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter begonnen. Das Zitat lautete:

„Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als eine
demokratische Regierung eine Budgetreserve “.

Ich wähle ein anderes Zitat von Joseph Schumpeter, aus dem ebenfalls deutlich wird, dass er sich über den Bereich der Nationalökonomie hinaus intensiv mit Fragen des politischen Geschäftsbetriebs befasst hat. So hat Schumpeter auch gesagt:

„Politiker sind wie schlechte Reiter, die so stark damit beschäftigt sind, sich im Sattel zu halten, dass sie sich nicht mehr darum kümmern können, in welche Richtung sie reiten.“

Sie können aus diesen Zitaten erkennen, dass Schumpeter, der von 1883 bis 1950 gelebt hat, nicht nur einer der größten Nationalökonomen war, sondern dass er sich auch kritisch mit der Politik im Allgemeinen und den Politikern im Besonderen auseinander setzte und zu sarkastischen Aussagen fähig war. Angesichts der vielen anwesenden Politiker heute Abend werde ich für dieses Zitat starken Widerspruch ernten. Ich will es aber auch nicht eins zu eins auf die kommunalpolitische Arbeit in Bad Wildungen in den letzten 12 Jahren übertragen, sondern in abgespeckter Form:
Denn in der Wildunger Kommunalpolitik wissen wir in den meisten Fällen sehr wohl, in welche Richtung wir reiten wollen, wir kommen nur häufig nicht ans Ziel, wie ich an einigen kommunalen Schwerpunkten der vergangenen Jahre deutlich machen will.

1. Kurhaus

Das Kurhaus hat Bürgermeister Zimmermann in seiner gesamten Amtszeit von 12 Jahren beschäftigt. Es besteht jetzt die Möglichkeit, dass wir eine Lösung für dieses Projekt finden, nachdem wir uns in den vergangenen Jahren mehr oder weniger nur mit Gutachtern und von uns bezahlten Gutachten in dieser Frage beschäftigt haben. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die jetzt angedachte Lösung zustande kommt, weiß aber, dass es in Teilen der Bevölkerung heftigen Widerstand gegen den vorgesehenen Verkauf gibt. Den Kritikern möchte ich an dieser Stelle einmal folgende Punkte in Erinnerung rufen:

1. Das Kurhaus war ursprünglich keine Einrichtung der Stadt Bad Wildungen, ihr ist es erst im Zuge der Kommunalisierung des Staatsbades in 2001 zugefallen.

2. Das Kurhaus hat der Stadt Bad Wildungen bei der Übertragung vom Land Hessen auch keinen Euro gekostet, sondern es ging unentgeltlich auf die Stadt über, da auch das Land Hessen in seinen Besitzzeiten mit dem Kurhaus nur hohe Verluste eingefahren hatte und ihm deshalb keinen wirtschaftlichen Wert zumaß.

3. Schon bei der Übernahme des Staatsbades war es das Ziel aller Beteiligten, das Kurhaus an private Betreiber zu übertragen, und zwar spätestens nach Sanierung der Wandelhalle, in der wir uns heute befinden.

Deshalb gab es schon in den Jahren 2004 und 2005 erste intensive Bemühungen, das Kurhaus zu verkaufen.

Und deshalb stand bereits im November 2005 in einer Stadtverordnetensitzung erstmals der Verkauf des Kurhauses auf der Tagesordnung. Leider machten am Tag der Beschlussfassung die damaligen Investoren einen Rückzieher.

Und deshalb ist es auch nicht richtig, dass die städtischen Gremien jetzt überstürzt handeln und eine nicht verständliche Eile an den Tag legen, wie es häufig kritisiert wird. Die Kritiker bitte ich zumindest zur Kenntnis zu nehmen, dass die städtischen Gremien sich seit 14 Jahren mit dem Verkauf des Kurhauses befassen, hier also keine Spontanentscheidungen getroffen werden.

Zum Ende seiner Amtszeit ist es Bürgermeister Zimmermann gelungen, Initiatoren und Planer aufzutun, die sich seit einem Dreivierteljahr ernsthaft mit dem Projekt befassen und dabei eigenes Geld und Arbeit in die Konzeption stecken. Das lässt hoffen. Und in Kürze soll auch der Investor vorgestellt werden.

2. Heloponte

Die Sanierung oder der Neubau des Heloponte beschäftigen uns in dieser umfassenden Form, wie wir es heute machen, seit 2010.

Im Jahr 2011 stellte das Planteam Ruhr mit dem Architekt Scheibenflug 2 Varianten vor.

Im Jahr 2012 folgte der Planer Altenburg mit 4 Planungsalternativen mit Investitionskosten zwischen 10 und 15 Mio. Euro.

Im Jahr 2013 stellte der Runde Tisch seine Arbeitsergebnisse vor. Im gleichen Jahr fanden eine Bürgerversammlung und eine Bürgerbefragung mit 3 Varianten statt.

Im Jahr 2015 trug der Planer und Betreiber von Hallenbädern Herrn Dr. Kannewischer 6 Gestaltungsvarianten mit Investitionskosten zwischen 8 und 19 Mio. Euro vor.

Auf dessen Basis entwickelten die Planer Löweneck und Schöfer in den Jahren 2016 und 2017 4 Varianten, die teuerste kam auf 27 Mio. Euro. Da dies zu hoch erschien, wurden nun Profund und Constrata als 5. Planer eingeschaltet. Sie stellten vor wenigen Wochen 5  Varianten mit Investitionsvolumen zwischen 25 und 28 Mio. Euro vor.

Das bedeutet, dass wir jetzt zwar von 5 Planern insgesamt 21 Varianten vorgestellt bekommen und Planungskosten in Höhe von rund 400.000 Euro verursacht haben, aber immer noch nicht wissen, was wir machen wollen.

3. Grundstück Brunnenstraße 59

Der Verkauf des Grundstücks Brunnenstraße 59, besser bekannt unter dem Begriff Haus Oestreich, beschäftigt uns jetzt seit 3 1/2 Jahren. Nachdem ein im Frühjahr 2015 von der Stadtverordnetenversammlung mit sehr großer Mehrheit gefasster Verkaufsbeschluss von Bürgermeister Zimmermann beanstandet worden war, hatten wir das Thema wiederholt und auch heute wieder auf der Tagesordnung in der Hoffnung, in absehbarer Zeit zu einem erneuten endgültigen Verkaufsbeschluss zu kommen.

4. Einzelhandel

Da bei der Stadt die Hoheit für die Bauleitplanung liegt, handelt es sich bei dem Thema Einzelhandel zwangsweise um ein Dauerthema. Insofern kann ich auch niemandem die Hoffnung machen, dass wir dieses Thema einmal abschließen können. Es liegt in der Natur der Sache, dass es ständig auf der Tagesordnung steht und wir in der Stadtverordnetenversammlung über dieses Thema kontrovers diskutieren.

Dabei bin ich der Überzeugung, dass wir uns in der Stadtverordnetenversammlung einig darüber sind, dass wir eine lebenswerte Innenstadt mit einem attraktiven Einkaufsangebot unbedingt behalten wollen, dass wir lediglich unterschiedliche Auffassungen darüber haben, ob denn beispielsweise die Zulassung von weiteren Verkaufsflächen mit zentrenrelevanten Sortimenten außerhalb der Innenstadtlage negative Auswirkungen auf die Einzelhandelsstruktur in der Innenstadt hat oder nicht.

5. Verkehrsführung

Ein weiterer Schwerpunkt und eine weitere Daueraufgabe der Kommunalpolitik ist die Frage der Verkehrsführung. Hier ist uns in der Amtszeit von Bürgermeister Zimmermann ein großer Schritt nach vorne gelungen. Jahrzehnte lang hatten wir uns daran gewöhnt, auf dem Stadtring immer im Kreise um die Altstadt zu fahren, was zum Verdruss des ein oder anderen Ortsfremden führte, der uns auf dem Stadtring entgegen kam oder aber die richtige Ausfahrt aus dem Stadtring nicht fand. Mit der völligen Umstellung des Verkehrskonzeptes sind wir zu einer Verringerung der gesamten Verkehrsbelastung, zu einer zielgerichteten Verkehrsführung und zu einer Verkehrsberuhigung gekommen. Anstelle eines großen Stadtringes haben wir jetzt 5 kleine Kreisverkehre und kommen damit sehr gut zu Recht. Im Zuge der Verkehrsführung wurde der gesamte Bereich der westlichen Brunnenstraße bis hin zur Brunnenallee grundlegend neu gestaltet: offen, modern, verkehrsberuhigt und transparent. Damit können wir sehr zufrieden sein.

Anhand dieser Beispiele sehen Sie sehr wohl – um auf Schumpeter zurück zu kommen -, dass wir in der Kommunalpolitik in Bad Wildungen schon wissen, wohin wir reiten wollen, dass wir uns häufig aber sehr schwer damit tun, das Ziel zu erreichen.
Mit diesem Überblick über die kommunalpolitischen Hauptthemen der vergangenen Jahre komme ich nun zur Verabschiedung von Volker Zimmermann aus dem Amt des Bürgermeisters und gemäß der von ihm getroffenen Entscheidung aus Bad Wildungen.
Ihn zieht es nach Berlin, um eine neue Aufgabe im deutschen Heilbäderverband zu übernehmen. Und was liegt da näher, als ihn zum Abschied aus dem Amt und unserer Stadt nach dem Motto „Ich habe noch einen Koffer in Berlin“ einen Koffer zu überreichen.

Ich darf deshalb Bürgermeister Zimmermann zu mir bitten, um ihm dieses Abschiedsgeschenk zu überreichen.

Dieser Koffer enthält dann keine Berliner Utensilien, sondern diverse Gegenstände aus Bad Wildungen:
Haushalte 2007 und 2018
Erinnerungsstücke aus unseren Partnerstädten
einen Merianstich von Wildungen
einen Wildunger Schluten
ein Plakat vom Heloponte
ein Bild vom Haus Oestreich
und einiges andere mehr.

Mein Damen und Herren, vor 48 Jahren kam mit Dr. Lückhoff ein Bürgermeister aus Berlin nach Bad Wildungen. Jetzt geben wir einen zukünftigen Altbürgermeister nach Berlin ab und ich wünsche dem Ehepaar Zimmermann und insbesondere dem scheidenden Bürgermeister Volker Zimmermann viel Erfolg und persönliches Wohlergehen am zukünftigen Wohnsitz und bei der neuen beruflichen Tätigkeit und verbinde dies mit dem Dank für die in Bad Wildungen geleistete Arbeit.“

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