Das Schweigen im Saale

Ein Gastkommentar zur Stadtverordnetenversammlung am 1. 10. 2018 von Manfred Hülsebruch.

Foto: Archiv

Da wir uns ja als „Mitmach-Zeitung“ verstehen, sind wir für eigenständige Beiträge dankbar und stellen sie unseren Lesern als Grundlage für weitere Diskussionsbeiträge zur Verfügung.

Nun hat sich der Investor eines dem Neuen Kurhaus folgenden Hotelprojektes am 1. Oktober 2018 in der Wildunger Wandelhalle vorgestellt. Wirklich? Es ist keine Person, sondern eine Aktiengesellschaft, die Eyemaxx Real Estate in Aschaffenburg, vertreten durch den Geschäftsführer ihrer Projektentwicklung. Die Gesellschaft bezeichnet sich mit ihrem Expertenteam als internationaler Immobilienentwickler in Deutschland, Österreich, Polen, Serbien, Slowakei und Tschechien. Sie betreibt ihre Geschäfte seit 1996.
Projekte mit Aufwänden und Erträgen in für kleinstädtische Verhältnisse schwindelerregender Höhe wurden in aneinander folgender Reihe vorgetragen. Ob Projekte geplant und gebaut und selbst betrieben werden und/oder nach Fertigstellung mit horrenden Margen vermietet oder veräußert werden, wurde bei der Vielzahl der aufgezählten Objekte nicht deutlich. Es scheint alles möglich. Einige der Geschäftspartner der Eyemaxx Real Estate AG sind bekannt für die im Zigarrenkistenbarock errichteten Kleinstraumhotels, zu finden in mehreren Großstädten Deutschlands.
Die zahlreich anwesenden Hörer warteten auf Fragen aus dem Plenum. Sicher wäre es interessant gewesen, auf welcher Hoffnung die ertragreiche Vermarktung eines großen Hotelbaues anstelle eines integrierten Kurhauses sich gründet. Nur wenigen Einwohnern der Stadt ist noch bewusst, dass auch in Zeiten ansteigender Kurgastzahlen mehrere mittelständische Hotelbetriebe ihre Geschäftstätigkeit wegen mangelnder privater Nachfrage einstellen mussten. Nur einem Betreiber gelang es, sich mit seinem Vermögen in eine Klinik einzubringen, die heute noch besteht.
Es war auch nicht zu erkennen, ob die im Februar dieses Jahres an gleicher Stelle aufgetretenen Projektentwickler mit ihren Plänen noch aktuell sind. Einig scheinen sich beide Gruppierungen in der Aussage zu sein: Das Kurhaus muss weg.
Die Zuhörer spürten nichts mehr von der von Stadtverordnetenvorsteher und Vorsitzenden des Planungsausschusses im Februar 2018 geäußerten Auffassung, man gebe mit einem Aufstellungsbeschluss zu einem zu ändernden Bebauungsplan nichts vor. Das war, wie sich nun herausstellt nichts anderes, als Sand in die Augen gestreut.
Aber was folgte der Aufforderung des Stadtverordnetenvorstehers an das Plenum, Fragen zu stellen? —– Schweigen im Saal.
Es wurde mit seinen Worten, wir kommen jetzt zu Punkt 4 – Änderung des Bebauungsplanes Brunnenallee/Langemarckstraße, unterbrochen.
Zuvor hatten sich Stadtverordnete unter dem Tagesordnungspunkt Anfragen und Anregungen zu so bedeutsamen Fragen wie die Teilnahme der Stadt Bad Wildungen an der Wanderwegevermarktung in Nordhessen, einem angeblichen Loch in einer ungenau beschriebenen Wegeverbindung und zu Beuteln zur Aufnahme von Hundekacke mit wichtiger Miene zu Wort gemeldet. Jetzt blieben alle Hände geflissentlich unten.
Im Verlauf der Beratung zu Tagesordnungspunkt 4 wurde dem einzig anwesenden Kurbad erfahrenem Unternehmer, Dr. Hans Schultheis, in seiner Eigenschaft als Stadtverordneter, der die CDUFraktion an eigene Initiativen und nicht erfüllte Beschlüsse des Gremiums erinnerte, von einem Kollegen einer anderen Fraktion in schnöder Weise attestiert, er habe eine ausgezeichnete Wahlkampfrede gehalten. Aus der CDU-Fraktion kam keine Stellungnahme. Die von den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgetragenen sind in der WLZ vom 3.10.2018 wiedergegeben. Dr. Schultheis von der FWG-Fraktion hatte namentliche Abstimmung beantragt.
Der Beschlussvorschlag von Magistrat und Planungsausschuss, mit dem die sich am Verfahren beteiligenden Bürger regelrecht abgebügelt wurden, brachte folgendes Ergebnis:
24 Stimmen dafür – 3 Stimmen dagegen – keine Enthaltungen.
Die Bebauungsplanänderung war damit beschlossen.
Nun sollen Einwohner und Bürger in einer Bürgerversammlung am 24. Oktober 2018 Gelegenheit zu Fragen und weiteren Stellungnahmen erhalten. Welch eine Farce zu einem beschlossenen Projekt.
Die in der Stadt Bad Wildungen als Unbekannte hergerufenen finanzkräftigen Berater werden der Stadtverordnetenversammlung und anderen zeigen, welcher Einfluss der Stadt noch verbleibt, sind sie erst einmal im Besitz des Kurhausareals. Es ist schon vorauszusehen, dass die Übernahme zu Bedingungen erfolgen wird, der unter Anrechnung der anstehenden Abbruchkosten den Preisen zur Veräußerung von Fürstenhof und Stadtkrankenhaus nahekommt, von den Geschäften beim Verkauf des Goecke-Stiftes und der Helenenquelle einmal ganz abgesehen. Es ist weder ein guter Rat noch eine hervorragende Leistung, sich in die Hände solcher Gruppen zu begeben, deren einziger offenbarter Geschäftszweck darin besteht, Rendite für ihre Geldgeber zu erwirtschaften.
Der geneigte Leser wird sich fragen müssen, was als nächstes ansteht. Das Objekt Brunnenstraße 59 (Haus Oestreich)? Auch die Anrainer von Brunnenallee 1 (Parkplatz) sind in Lauerstellung.

Manfred Hülsebruch

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