Kurhaus, Teil 1: Die Vorgeschichte

Ein Beitrag von Bernhard Weller

Das damalige Neue Kurhaus um 1900. Foto: Städtische Museen

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ist in vielen Kurstädten ein enormer Anstieg der Übernachtungen zu verzeichnen, was dazu führt, dass ein regelrechtes Bauprogramm zur Erneuerung der kurörtlichen Infrastruktur realisiert wird. Überall entstehen in schneller Folge Hotels, Brunnenhäuser, Wandelhallen und natürlich Kurhäuser. Wildungen erhält einen solch repräsentativen Bau im Jahre 1890.
Das „Handbuch der Architektur“ aus dem Jahre 1894 beschreibt die Funktion eines Kurhauses folgendermaßen:„Das Cur- und Conversationshaus ist als für jeden Curort unbedingt nöthig zu bezeichnen; … es soll den Besuchern Ersatz für die Annehmlichkeiten bieten, die sie in großen Städten zu finden gewohnt und deren sie bedürftig sind, um den Aufenthalt auf dem Lande möglichst angenehm zu finden“.
Rund 100 Jahre später formuliert die Architektin des neuen Kurhauses in Bad Wildungen, das 1987 glanzvoll eröffnet wird und jetzt zum Abriss freigegeben wird, ganz ähnlich: „Kurhäuser sind Teil der Bäder-Kultur. Sie haben eine wichtige Funktion als Stätte der Therapie, der Gastlichkeit, der Festlichkeit, der Geselligkeit und sind traditionell Mittelpunkte der Kurorte, sowohl für die Kurgäste wie auch die Bewohner des Bades“ (Karola Plaßmann, 1987).
Kurhäuser, so kann man wohl festhalten, sind die Gebäude, durch die sich ein Kurort am eindrucksvollsten definiert. Hier werden einerseits kurörtliche Aufgaben funktional gebündelt und andererseits in einem gehobenen Ambiente gastfreundliche Serviceangebote gemacht.
Letzteres trifft für das allererste Kurhaus in Wildungen nur bedingt zu. Man gab dem einfachen Bauwerk, das 1699 in unmittelbarer Nähe zum Sauerbrunnen (Georg-Viktor-Quelle) errichtet wurde, den wohl bezeichnenden Beinamen „Schoppen“. Bis 1874 blieb dieses Gebäude in Betrieb.
Aber bereits 1861 eröffnete der Pächter der Spielbank, August Fossard, „bei Wein, Böllerschüssen und Musik“ einen neuen Kursaal an der Brunnenallee und betrieb hier bis zum endgültigen Verbot 1872 eben auch das Glücksspiel.
Im Zuge des aufstrebenden Kurbetriebs wurde aber bald schon die Notwendigkeit deutlich, ein repräsentatives Kurhaus als Treffpunkt für die Gäste anbieten zu können. Die Realisierung verzögerte sich allerdings bis 1890. Für 180.000 Mark (statt der ursprünglich veranschlagten 300.000 Mark) errichtete die Wildunger Mineralquellen AG einen zweigeschossigen Bau, der während der Saison ein Kurtheater aufnahm; außerdem wurde ein Restaurant eingerichtet und verpachtet; den Gästen stand auch ein Leseraum zur Verfügung. 1933 wurde ein Lichtspieltheater eingerichtet.
Zu Beginn des 2. Weltkrieges diente das Kurhaus kurzfristig als Nachrichtenzentrale für einen Stab der Luftwaffe. 1945 beschlagnahmten die Amerikaner das Gebäude und bezogen es in die Truppenbetreuung ein. Nach der Freigabe 1954 befand sich das Kurhaus in einem maroden Zustand und wurde ein Jahr später abgerissen.
Ein Neubau auf dem Kurhausareal sowie der Fläche des abgerissenen Europäischen Hofes erfolgte erst im Jahre 1987 durch das Hessische Staatsbad. Sofort entwickelte sich die Problematik einer Konkurrenzsituation zur Wandelhalle, die bis heute nicht gelöst wurde. Unterschiedliche Konzepte müssten entwickelt werden, wenn man beide Gebäude beleben möchte. Aber unabhängig davon befindet sich das Kurhaus natürlich an einem für die Kurstadt bedeutenden Platz, wie man auf Aufnahmen des alten Kurhauses sehen kann.

Hat Ihnen unser Artikel gefallen?

4 Kommentare

  1. Die im Artikel angesprochene Konkurrenzsituation hat ja gerade dazu geführt, dass bei der Wandelhalle nach der Eröffnung des Kurhauses zunächst keine Investitionen mehr vorgenommen wurden. Man darf aber nicht vergessen, dass es seitens des Staatsbades ab 1992 Bemühungen gab, in Zusammenarbeit mit dem privaten Investor Lippe ein eigenständiges Konzept für die Wandelhalle umzusetzen. Es gab detaillierte Pläne, die mehrere gastronomische Betriebe, Läden, eine Bühne für die Kurmusik und einen heftig umstrittenen Nachtclub vorsahen. Die Stadt Bad Wildungen war bereit, einen Zuschuss in Höhe von 2 Millionen DM zu geben. Letztlich scheiterte das Projket aber an den Auswirkungen der Kurkrise in der Mitte der 1990er Jahre.

  2. Wer über unsere Wiesen spazieren geht,sieht immer wieder Pferde,Kühe und auch Ziegen, die jenseits des Zaunes grasen.
    Woanders scheint es immer schöner zu sein.
    Wir Menschen haben den Vorteil, dass wir selten eingesperrt sind.
    Wir können reisen un sei es nach Bad Oeynhausen.

    • Wir können auch vergleichen, Herr Stadtrat, mit dem, was andere Kurstädte für ihre Gäste tun und was hier getan wird!
      Allerdings gibt es hier Leute, die nicht Willens sind, über ihren Tellerrand zu schauen und schon gar nicht Willens sind, etwas zu verbessern.
      „Haben wir immer schjon so gemacht!“ – „Da könnte ja jeder kommen!“ scheint das Motto von diesen Lokalpolitikern zu sein.
      Dann fehlt nur noch die Mauer um die Stadt, ich meine die Mauer, die in den Köpfen dieser Lokalpolitiker schon längst herumspukt.
      Warum auch etwas ändern wollen, es macht nur unnötige Arbeit und es gibt ja auch keine Mitbewerber um Gäste – sei es im Tourismus, sei es im Gesundheitswesen…

  3. Von der Vorgeschichte des Kurhauses her ein sehr guter Beitrag von Herrn Weller.

    Allerdings irrt er, was die Zeit des Neuen Kurhauses, also ab 1987, angeht, gewaltig.

    Die von ihm angesprochene Konkurrenzsituation hat es so nicht gegeben.
    Der damalige Kurdirektor hat sich auf das Neue Kurhaus konzentriert und die Wandelhalle vernachlässigt, die Zeit der Offenen Badekuren war ja vorbei und die Wandelhalle passte auch nicht zu seinen Vorstellungen eines modernen Bades.

    Wer mal in anderen deutschen Bädern war und sich das dortige Angebot für die Gäste angesehen hat und dieses dann mit dem Angebot des immerhin drittgrößten deutschen Bades vergleicht, für den bleibt eigentlich nur Fremdschämen übrig.

    Ich vergleiche hier nur mal Bad Oeynhausen mit Bad Wildungen, ich habe mehrere jahre in Bad Oeynhausen gearbeitet und in einer Pension übernachtet und ich war zur halbstationären Reha in Bad Wildungen.

    Das Angebot für die Gäste von Bad Oeynhausen ist fast dreimal so groß wie das in Bad Wildungen.

    Woran das wohl liegen mag?

    Wohl kaum an fehlenden Hotelbetten, eher daran, dass geeignete Veranstaltungsorte, an denen z.B. auch (warmes!) Essen angeboten werden kann, nicht vorhanden sind.

    Bad Oeynhausen hat auch ein sehr schönes Freibad, das unsere würden die hiesigen irreal-Politiker ja lieber heute als morgen abbauen.

    In Bad Wildungen fehlt ein sachkundiger Kurdirektor und die Bereitschaft der Stadt(verordneten), Alleinstellungsmerkmale wie z.B. die Eisbahn wieder zu reaktivieren und die Synergieeffekte nutzbar zu machen.

    Statt dessen machen sich die berufsmäßigen Bedenkenträger lautstark bemerkbar und verkünden ihre 40 Jahre alten Weisheiten, die schon vor damals keiner Prüfung standgehalten haben.

    Ich erinnere zudem an drei ursprünglich von privater Hand initiierte Festivitäten in der Badestadt, die einen überwältigenden Erfolg hatten und dann nach einem zumeist unfreiwilligen Wechsel in der Führung sang- und klanglos aufgegeben worden sind.

    Da wäre das von Günter Blaschke ins Leben gerufene Jazz-Festival, das nun durch das Gassenhauser-Festival ersetzt worden ist, wohl auch, weil es nach dem Rückzug von Günter Blaschke unter einer sehr unglücklich agierenden musikalischen Leitung stand. Nicht jeder versteht den künstlerisch sehr anspruchsvollen Musikgeschmack des musikalischen Leiters…

    Oder der Rosenmontagszug in der Badestadt, der den von Fritzlar übertroffen hatte und danach von jetzt auf gleich eingestellt worden ist.
    Was da wohl die Gründe waren?

    Und last but not least:

    Das ehemals drittgrößte Sambafestival Europas!
    Von Jürgen Lemmi Lehmann und Sempre Samba ins Leben gerufen und alle zwei Jahre DAS Highlight im Wildunger Veranstaltungskalender!

    Und dann?

    Lemmi Lehmann wurde vergrault, schon das nächste „Samba-Festival“ unter neuer Leitung (mit künsterlisch äußerst anspruchsvollem Musikgeschmack) war reduziert, musikalisch ein Blindgänger, längst nicht mehr Samba Festival.

    Drei ehemals erfolgreiche Veranstaltungen, drei nun tote Veranstaltungen.

    Ein totes Kurhaus.

    Eine Wandelhalle, die nur begrenzt als Veranstaltungsort nutzbar ist – siehe Akustik, Gastronomie, etc.

    Ein Stadtmarketing, das in den letzten Jahren gefühlt nur dadurch auffiel, dass die Leitung den Postplatz in Brunnentorplatz umbenennen wollte – offenbar ohne Wissen des Bürgermeisters.

    Ein Viehmarkt, der jedes Jahr mehr schrumpft und bei dem demnächst das Festzelt viermal so groß sein muss, um die ganzen leeren Stellen zu kaschieren.

    In Fritzlar befragte Aussteller, die früher auch auf den Viehmarkt kamen, führen die Standgelder als Grund auf, nicht mehr nach Bad Wildungen zu kommen.

    Okay, zumindest der Viehmarkt hat mit dem Stadtmarketing nichts zu tun…

Kommentare sind deaktiviert.