Bericht: Naturheilmedizin – echte Medizin oder Hokuspokus?

Mit den verschiedenen Arten der Komplementärmedizin oder auch „Alternativmedizin“ hat sich der Internist und leitende Notarzt Dr. Christian Wöhner in den vergangenen 20 Jahren intensiv auseinandergesetzt und in einem Referat am 17.1.2018 im großen Vortragssaal der Asklepios Fachklinik Fürstenhof mithilfe einer Power-Point-Präsentation dem zahlreich erschienen Publikum vorgestellt.
Es schien so, als ob es auch sein Hobby sei, die Wirksamkeiten uralter medizinischer Methoden (Traditionelle Chinesische Medizin), Pflanzenmedizin, Irisdiagnostik, Maden und Honig zur Wundbehandlung, Heilerde gegen Magensäure, Teufelskralle als alternatives Schmerzmittel, und vieles mehr mit dem Scharfsinn und dem wissenschaftlichen Hintergrund des aufgeschlossenen Schulmediziners kritisch zu beleuchten. Dr. Wöhner ist auch Arzt für Naturheilverfahren und von der Landesärztekammer Hessen zur Weiterbildung von Ärzten in diesem Bereich berufen.
Im Rahmen seines Vortrages demonstrierte er, dass es inzwischen anerkannte sichere und wirksame Methoden der klassischen Naturheilverfahren gebe, als da seien
Phytotherapie,

Balneo- (Heilbäder),
Ernährungs-,
Reiz- sowie
Ordnungstherapie.
Zur Reiztherapie würden z.B. die Angebote der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wie Akupunktur, Schröpfen, Moxibustion, Phytotherapie mit speziellen Teezubereitungen und auch Speisen gehören, was ja auch zur Diätetik gehöre.
QiGong/Tuina sollten als körperlich-geistige Übungen das Ganzheitliche der (TCM) betonen und eingefügt werden.
Die auf den Arzt Samuel Hahnemann zurückgehende Homöopathie sei nach den Dr. Wöhner bekannten Studien leider oft nicht wirkungsvoller als ein Placebo, ein Scheinmedikament. Hahnemann (1755 – 1843) soll bewußtsseinsverändernden Drogen zugeneigt gewesen sein. Das Prinzip der höheren Potenz, der Verschüttelung, letztlich der Verdünnung – also je weniger der Ursubstanz ist noch im Medikament vorhanden – bis hin zu Hochpotenzen C200, in denen kein einziges Molekül der Ursubstanz mehr im Medikament ist, sei mit der stärkeren Wirkung zwar beschrieben, aber nicht erklärbar. Er empfehle homöopathische Substanzen im Bereich D3 bis D12, weil da die Ursubstanz mit ihrer Chemie noch wirksam werden könne.
Der Referent zitierte Umfrageergebnisse, denenzufolge 90% der Befragten eine Kombination von Naturheilverfahren mit der Schulmedizin für wünschenswert hielten. Er berichtete von chronischen Wunden, die mit Wickeln aus kaltgeschlagenem Honig erfolgreich behandelt wurden.
Bei der Krebsbehandlung würden heute bei der Kombination von Chemotherapie mit der Erhitzung des Tumors auf ca. 42°C (Hyperthermie) Erfolge verzeichnet. Ähnliche Effekte gebe es bei der Begleittherapie mit Mistelprodu

kten, aber auch eine bessere Verträglichkeit der Chemotherapie mit aus der Natur stammenden Mitteln, seien heute immer mehr die Regel.
Bei vielen Krankheiten müsse man nicht gleich zu den nebenwirkungsreichen Medikamenten greifen. So sei ein Antibiotikum bei einen grippalen Infekt mit Viren und ohne Bakterien nicht hilfreich, eher sogar schädlich, weil sich auch noch – bei unsachgerechter Anwendung – multirestistente Keime bilden können, gegen die im Extremfall kein Antibiotikum mehr helfe.
Ein häufig verwendetes, frei verkäufliches Mittel bei Rückenschmerzen sei das ABC-Pflaster. „Raten Sie mal, wofür stehen die drei Buchstaben?“ fragte Dr. Wöhner und überraschte die Zuhörer mit der Antwort: „Für Arnica, Belladonna und Capsicum. Alles reine Pflanzenmedizin“.
Manche Krankheiten fänden scheinbar deshalb rasende Verbreitung, weil – meist amerikanische – Gesundheitsbehörden unter dem Einfluss der Pharmaindustrie Grenzwerte nach unten neu definieren. Damit ergäben sich mehr Potentiale für den Absatz von Pharmazeutika.

Dr. Wöhner

Das Phänomen „Burnout“ habe es früher nicht gegeben. Ebenso gehöre ADHS auch eher in die Neuzeit. Möglicherweise seien mehr Erkrankungen als allgemein bekannt ist – wie z.B. Allergien, Laktoseintoleranz, Glutenunverträglichkeit – Reaktionen unseres Darms und dessen Immunsystem: Der sei etwa 400m² groß und damit vergleichbar mit der Fläche eines Tennisplatzes.
Wie wichtig die etwa 500 bis 1000 verschiedenen Arten der physiologischen Darmbakterien sind, auch in ihrem Zusammenwirken und vermutlich auch in ihrer Zusammensetzung, ist heute erst unvollständig bekannt und Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Forschungen. Als kleine Anekdote schilderte Dr. Wöhner eine Begebenheit aus dem Balkankrieg, als 1917 von einer Kompanie mit etwa 170 Soldaten an der Amöbenruhr alle bis auf einen starben. Der Militärarzt Prof. Nißle habe dann die Darmbakterien des Überlebenden isoliert und daraus ein Medikament hergestellt, das noch heute bei Säuglingen und Erwachsenen bei der Behandlung des Immunsystems und chronisch entzündlicher Darmerkrankungen eingesetzt werde.
Zum Abschluss zitierte Dr. Wöhner den oft nur von seinen Wasseranwendungen bekannten Sebastian Kneipp:
„Vermeide Risikofaktoren, Genussgifte und Reizüberflutung!“ Dieses Konzept der Kneipp-Therapie, die nach dem Priester und Naturheiler Sebastian Kneipp (1821-1897) benannt wurde, bestehe aus den Elementen Hydro- und Thermo-Therapie, Phytotherapie, Bewegungstherapie, Ernährungstherapie sowie Ordnungstherapie und solle auch heute noch Beachtung finden.
Manfred Zinke

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